Landeshauptstadt: Eltern werden ist nicht schwer ...
... Eltern sein dagegen sehr. Was Mütter und Väter mit ihren Kindern lernen können. Bewährte und neue Elternkurse im Familienzentrum der Fachhochschule Potsdam
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Was tun, wenn ein Baby nicht aufhören will zu schreien? Gerade hat die Mutter es gestillt. Die Windel ist trocken, die Spieluhr zum x-ten Male aufgezogen, alle Lieder sind gesungen. Doch das Kind weint, schreit und schreit. Warum gibt es keine Ruhe? Erschöpft und ausgezehrt vom Stillen und Wachen, verunsichert, möglicherweise etwas falsch zu machen, ist irgendwann auch die junge Mutter in Tränen aufgelöst und schluchzt bei allem Glück über das geborene Kind: „So hatte ich mir das nicht vorgestellt“.
Gabriela Hellwig-Körner und Dr. Ingrid Stammnitz kennen diese Sorgen nur zu gut. Die Psychologin und die Ärztin haben den oft gehörten Seufzer überlasteter Mütter als Überschrift für ihre Mütter-Baby-Gruppe gewählt, die sie im Familienzentrum der Potsdamer Fachhochschule anleiten. Frauen, die sich in ihrer neuen Rolle allein gelassen und überfordert fühlen, sollen hier Verständnis finden und erleben, wie hilfreich eine Gruppe dabei sein kann, die sehr ähnlichen Schwierigkeiten zu bewältigen. Von den beiden Therapeutinnen lernen die Mütter, ihre eigenen Bedürfnisse und die ihrer Babies besser zu verstehen. Oft ist damit schon der Anfang getan, um den Problemen ein Ende zu setzen.
Aber auch Eltern, deren Kinder genug essen, durchschlafen und problemlos gedeihen, finden im Familienzentrum Rat und Anregung. Die ersten Blicke, das erste Lächeln. Was vermag ein Baby ohne Worte zu sagen? Die Familien-Hebamme Kerstin Oehlert weiß es zu deuten. In ihrer Sprechstunde an jedem Montag zwischen 10 und 12 Uhr beantwortet sie alle Fragen zu Schwangerschaft und Geburt, Stillzeit und Säuglingspflege. Zusätzlich leitet sie Kurse zur Geburtsvorbereitung und Rückbildungsgymnastik und besucht die von ihr betreuten Familien auch längere Zeit nach der Entbindung noch zu Hause.
Von großem Vorteil für junge Eltern ist, dass sie im Familienzentrum Erfahrungen austauschen, Kontakte knüpfen und sich ihr ganz persönliches Netzwerk aufbauen können. So treffen sich Paare aus dem Geburtsvorbereitungskurs später im „Kinderzimmer“ des Familienzentrums wieder. Die Sozialpädagogin Ursula Schneider-Firsching organisiert dort noch in diesem Monat eine Mutter-Vater-Kind-Gruppe, um gemeinsam mit jungen Familien zu singen, zu spielen und die vier Jahreszeiten neu zu entdecken. Sich einzufühlen in die Empfindungswelt und die Wahrnehmung eines Kleinkindes, ist die große Herausforderung, der sich jene Eltern stellen, die mit ihren Söhnen und Töchtern stets auf Augenhöhe bleiben wollen.
Der große Ansturm auf die erste Eltern-Universität an der Potsdamer Fachhochschule im vergangenen Herbst hat gezeigt, wie groß das Informationsbedürfnis von Müttern und Vätern in Erziehungsfragen ist. Einige Antworten kann hier das anleitende Erziehungsmodell „Starke Eltern - starke Kinder“ des Deutschen Kinderschutzbundes geben, das im Familienzentrum ab diesem Monat erneut in Kursform zu erlernen ist.
Die Eltern stärken dabei ihr Selbstvertrauen als Erzieher, um mit klaren Werten und sicherem Auftreten die kleinen und größeren Konfliktsituationen im Familienalltag besser zu meistern. Das fängt mit scheinbar einfachen Fragen der Kommunikation an: Wie muss ich sprechen, damit mein Kind mir zuhört? Und wie muss ich zuhören, damit mein Kind mit mir spricht? Es geht darum, die unterschiedlichen Bedürfnisse und Erwartungen zu äußern, sich in die Lage des anderen versetzen und Kompromisse aushandeln zu können. Konstruktive Kritik und manchmal auch ein konsequentes „Nein“ gehören ebenso zu den Lernzielen wie die Einsicht, die eigene Position niemals zu missbrauchen, schon gar nicht mit seelischer oder körperlicher Gewalt.
Starke Kinder zu erziehen, bedeutet, sie mitbestimmen und mitgestalten zu lassen. Und dies so früh wie möglich. Der neue Elternkurs „Kess-erziehen“, der im Familienzentrum im April dieses Jahres beginnen soll, richtet sich deshalb an Mütter und Väter mit Kindern ab zwei Jahren. Entwickelt hat ihn die Arbeitsgemeinschaft für katholische Familienbildung in Bonn. Das Wörtchen kess steht hier für k wie kooperativ, e wie ermutigen, s wie sozial und s wie situationsbezogen. „Kesse“ Familien können also gut zusammenarbeiten, gemeinsam Regeln verabreden und Konflikte lösen. Sie respektieren die Bedürfnisse des jeweils anderen. Die Eltern nehmen ihre Kinder so an, wie sie sind, und fördern deren Selbstständigkeit. Das alles funktioniert aber nicht nach Lehrbuch. So will der Kurs keine Patentrezepte vermitteln, sondern zu einer achtsamen, wertschätzenden Grundhaltung ermutigen, die dem Kind das Gefühl gibt dazuzugehören, ernst genommen zu werden, wichtig zu sein.
Erfahrungsgemäß wird in den Elternkursen viel gelacht, und oft entstehen engere Kontakte zwischen den Familien. Um diesen so wichtigen Erfahrungsaustausch weiter zu befördern, planen die Mitarbeiter des Familienzentrums einen für jede und jeden zugänglichen Elterngesprächskreis. Männer sind hier besonders gern gesehen. Um für sie die Hemmschwelle herabzusetzen, wird es vielleicht auch bald spezielle Väter-Kurse geben.
Antje Horn-Conrad
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