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Landeshauptstadt: Emotionen und Widersprüche

Massenschlägerei am 1. Mai: Imbiss-Betreiber sehen ausländerfeindliche Motive

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Innenstadt – „Beschissen“ sei es ihm gegangen, sagt Pete Heuer. „So viel Blut“ habe er noch nie gesehen. Der Kreisvorsitzende der Potsdamer Linken besuchte noch am frühen Abend des 1. Mai die Notaufnahme des Klinikums „Ernst von Bergmann“, um dort mit den verletzten Mitarbeitern des XXL-Dönerbistros in der Brandenburger Straße 56 zu sprechen. Er fand ihre Schilderung glaubwürdig: Der Kommunalpolitiker organisierte gestern Nachmittag eine Pressekonferenz am Tatort. „Die Bewertung des Falls steht noch aus: Aber die Betroffenen sollen die Chance haben, das Erlebte aus ihrer Sicht zu schildern“, sagt Heuer. Viele Leute stehen an dem Imbiss, Passanten kommen hinzu.

Was sie zu hören bekommen, ist zumindest aus Sicht der kurdischstämmigen Betreiber eindeutig. „Die Polizei ist auf dem rechten Auge blind“, sagt der 29-jährige Ömer E., der Inhaber des Imbissladens. Am 1. Mai hatte er Geburtstag. Nun liest er eine Erklärung vor, wie er die Massenschlägerei erlebte. Demnach seien rund 60 Männer, zum Herrentag als römische Legionäre verkleidet, betrunken pöbelnd die Brandenburger Straße entlanggezogen. Viele der jungen Männer hätten Gäste belästigt, Schilder umgeworfen. Als die Angestellten des Bistros sich wehren wollten, seien sie angegriffen worden. „Plötzlich standen zehn bis 20 Mann um mich herum“, sagt Cengiz E.. Dass er zuerst einen der verkleideten Männer angegriffen habe, wie es die Polizei vermutet, bestreitet er vehement. Nach der Tat hatten Polizisten den 17-jährigen E. sowie drei Männer der Herrentagsgruppe in Gewahrsam genommen. Ein 21-Jähriger konnte erst gestern vernommen werden, da er zuvor mit zwei Promille Alkohol im Blut kaum ansprechbar war.

Doch wie glaubwürdig ist die Version der seit 1992 in Potsdam lebenden Kurden? Noch am Tag danach sind sie sehr aufgewühlt, wenn sie über die Schlägerei sprechen. Sie erzählen von Videos, die angeblich alles dokumentieren. Mehrere Zeugen haben gegenüber den PNN jedoch auch davon gesprochen, dass die Imbissbetreiber die gespannte Situation weiter anheizten, unter anderem weil mindestens einer ein Messer bei sich trug. Für Entsetzen sorgt bei den Augenzeugen das Verhalten einzelner Passanten. „Es gab Zwischenrufe von Bürgern, dass sie Gewalt gegen Ausländer billigen“, sagt der 23-jährige Florian Rummler, der unmittelbar dabei war. Einzelne Potsdamer hätten aber auch zu schlichten versucht. Die Schlägerei war am Nachmittag entbrannt, die Brandenburger Straße voller Menschen.

Erlebt hat das Geschehen auch Ha Pham, Inhaberin eines nahen Sushi-Restaurants. Sie kritisiert die Polizei. Erstmals habe sie Minuten nach Beginn der Schlägerei die Polizei angerufen, dann zehn Minuten gewartet – und erneut angerufen. Sie geht von mindestens zwanzig Minuten aus, die so verstrichen – wie andere Zeugen auch. Die Polizei dagegen versichert, bereits neun Minuten nach dem ersten Anruf seien Beamte vor Ort gewesen, später bis zu 35 Polizisten.

Linke-Chef Pete Heuer überzeugt das nicht: „Ich habe den Eindruck, die Polizei war überlastet.“ Unklar ist auch das Verhalten einer Mitarbeiterin des Ordnungsamts. Die Verwaltung bestritt gestern den Vorwurf, die Frau habe mit Strafgeld gedroht, wenn die Bistrobetreiber die Straße nicht sofort von Glasscherben und Blut reinigen würden. Wegen der „emotional geladenen Situation“ sei ein sachliches Gespräch nicht möglich gewesen, hieß es. Ömer E. sieht auch dies anders: „Wir verlangen eine Entschuldigung.“

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