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Landeshauptstadt: Ende einer Partnerschaft

Andreas Klisch verlässt den Lindenpark

Stand:

Zum Ende des Gesprächs vergleicht Andreas Klisch seine Zeit im Lindenpark mit einer Ehe. „Auch die beste Ehe kann nach 21 Jahren in die Brüche gehen“, sagt er. Eigentlich ist das humorvoll gemeint, doch ein leicht harter Zug um seine Mund verrät, dass ihm gerade doch nicht zum Lachen zumute ist.

Nach 21 gemeinsamen Jahren gehen Andreas Klisch und das Veranstaltungshaus Lindenpark getrennte Wege. Vor kurzem hat der 45-Jährige per Post die Kündigung bekommen. Ende September läuft seine Stelle als Bereichsleiter für Aus- und Weiterbildung aus. Obwohl es in den vergangenen Monaten immer wieder Differenzen zwischen ihm und der neuen Leitung des Lindenparks gab, hat ihn die Kündigung überrascht. Doch der Abschied stand für schon fest. „Wegen der Differenzen wollte ich sowieso gehen“, sagt Klisch. Sarah Buschmeier, Sprecherin vom Lindenpark, sagte gegenüber den PNN, dass man sich im „gegenseitigen Einvernehmen“ getrennt habe.

Seit einem Praktikum im Jahr 1985 gehört Andreas Klisch zum Lindenpark. Damals war der Lindenpark noch ein staatliches Kultur- und Jugendclubhaus, wie es im offiziellen DDR-Sprachgebrauch hieß. „Vom Rentnertanz, über das Bockbierfest bis hin zum so genannten verkehrten Ball, wo Frauen die Männer zum Tanzen aufforderten, gab es damals alle möglichen Veranstaltungen.“ Von einem Profil konnte keine Rede sein. Das aber wollte Andreas Klisch. Immer stärker setzte er auf Rockveranstaltungen, organisierte Jazzkonzerte. Er holte Bands wie Die Art, Die Firma und Feeling B in den Lindenpark, gründete 1987 das Festival „Offground“, wo sich für ein Wochenende die Avantgarde des Ostens im Bereich Theater, Musik und Film in Potsdam traf. Dass ihn die Obrigkeit – und hier speziell die Staatssicherheit – ihm Auge hatte, wusste er, ließ sich davon aber nicht beirren. „Ich habe einen breiten Rücken, auf dem ich das austragen konnte“, sagt Andreas Klisch.

Mit der Wende kam die Hochzeit für den Lindenpark. Allen Möglichkeiten standen jetzt offen. „Wir haben Vollgas gegeben“, sagt Klisch. Die Stasi hatte den Lindenpark und sein Publikum als „negativ dekadent“ abgestempelt. Das war jetzt ein Gütesiegel. Bands aus dem Westen standen Schlange, um im Lindenpark spielen zu können. „Wir waren der erste Club im Osten, in dem die Einstürzenden Neubauten spielten.“ Klisch war immer auf der Suche nach dem Besonderen. Er holte Rammstein nach Potsdam, bevor sie bekannt wurden. Wenn Andreas Klisch anfängt aufzuzählen, wer damals alles im Lindenpark spielte, dann braucht es Zeit.

Bis 1998 war er für die Organisation der Konzerte verantwortlich. „Das ist ein Job, wo du nicht auf die Uhr gucken darfst.“ Klisch war ständig unterwegs, besuchte Konzerte, knüpfte Kontakte zu Agenturen, war immer auf der Suche nach neuen Bands. Die Leidenschaft für den Rock“n“Roll, wie Klisch es nennt, war sein Antrieb. Spricht er von den Festivals, den Projekten, die er in den Jahren organisiert er, sagt er oft „meine Babys“.

1996 begann Andreas Klisch ein Studium für Kulturarbeit an der Fachhoschule in Potsdam. Zwei Jahre später nahm er dort eine Stelle als wissenschaftlich-technischer Mitarbeiter an. Schon während des Studiums zog er sich aus der zeit- und arbeitsaufwendigen Organisation von Konzerten im Lindenpark zurück und betreute nun die Bereiche Aus- und Weiterbildung. Schon damals war eine „Sättigung“, wie Klisch es nennt, beim Publikum zu spüren. Es wurde immer schwerer, Konzerte zu organisieren, die auch regelmäßig den Saal und die Kasse füllten. Das ist für Klisch einer der Gründe, warum der Lindenpark in finanzielle Schwierigkeiten geriet, die fast zur Insolvenz führten. Der andere sind unerwartete Rechnungen, die bezahlt werden mussten. Der Rest ist bekannt.

Dass die neue Geschäftsführung jetzt vor allem durch die Konsolidierung der Schulden in ihrer Handlung stark eingeschränkt ist, weiß Andreas Klisch. Doch vermisst er die Leidenschaft, mit der er früher dem Lindenpark ein Gesicht gab. Aber dieses Gesicht braucht der Lindenpark, um sich wieder als ernst zu nehmendes Veranstaltungshaus in Potsdam zu etablieren. Dabei mitzuhelfen, hatte er angeboten. Doch schnell hat Andreas Klisch gemerkt, dass seine Hilfe als einer von den Alten nicht erwünscht war. Die Kündigung hat ihm das nun bestätigt. „Aber ich falle in kein schwarzes Loch“, sagt Klisch. Er arbeitet weiter an der Fachhochschule und gibt dort mittlerweile Seminare. Und die Musik? Das Kapitel Lindenpark ist für ihn endgültig geschlossen, auch aus dem Verein ist er ausgetreten. Aber am 9. Mai tritt in der Manege im Kutschstall am Neuen Markt mit der Band Kaolin Marion Leisegang auf, die in den 80ern fünf Jahre bei Keimzeit sang. Organisiert hat das Konzert Andreas Klisch. „Ganz ohne geht es für mich natürlich nicht“, sagt er.

Dirk Becker

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