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Walzer und Tango mit Holger & Talea. Einige der Pflegenden und der Pflegebedürftigen wagten sich dank der Animation auf die Tanzfläche.

© Andreas Klaer

Von Günter Schenke Von Günter Schenke: „Endlich mal unter Menschen“

Einzigartig in der Bundesrepublik: Drittes Fest der Pflegenden in der „fabrik“ als Dank für aufopferungsvollen Einsatz

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Margarete T. sitzt still auf ihrem Platz im Theatersaal der „fabrik“ in der Schiffbauergasse und sieht dem bunten Treiben auf dem Parkett zu. Ihr Mann ist unter den Akteuren, die sich nach der Tanzeinführung mit Holger & Talea zu Walzer und Tango bewegen. Margarete T. muss zuschauen. Für sie ist ein Tänzchen unmöglich. Früher war die heute 65-jährige Köchin in einem Pflegeheim in der Waldstadt. Heute kocht ihr Mann zu Hause. „Unter Anleitung“, sagt sie. Margarete T. leidet unter Muskelatrophie, zu Deutsch Muskelschwund. Einfachste körperliche Arbeiten schafft sie nicht mehr. Ihr Mann betreut sie. Das „Fest der Pflegenden“, das am Samstag zum dritten Mal in der „fabrik“ stattfand, findet sie großartig. „Ich bin froh, dass ich mal unter Menschen komme“, sagt sie.

So wie Margarete T. empfinden es die meisten der fast hundert Gäste. Überwiegend sind es Menschen, die einen pflegebedürftigen Angehörigen betreuen. Potsdams Sozialbeigeordnete Elona Müller-Preinesberger äußert sich zufrieden über das gelungene Fest. „Es ist uns bestätigt worden, dass es in keiner anderen deutschen Stadt etwas Vergleichbares gibt.“ Und: „Wir wollen das in den nächsten Jahren beibehalten.“ Die Beigeordnete ist gemeinsam mit der Kabarettistin Gretel Schulze Schirmherrin der Veranstaltung. „Ich weiß, worum es geht“, sagt Schulze aus der Erfahrung in ihrer eigenen Familie. Es sei wichtig, einmal unbeschwert zusammen zu sein und „sich nicht nur über den familiären Zustand zu definieren.“

Die Vorbereitung sei mit viel Aufwand verbunden, „aber den ist es auch wert“, sagt Müller-Preinesberger. Sie erwähnt die zahlreichen Sponsoren, die einen finanziellen Beitrag geleistet hätten, das Netzwerk „Älter werden in Potsdam“ und den Berufsverband für Pflegende. Nur ein Viertel der Kosten müsste daher der städtische Haushalt beitragen. Das Fest sei als Dankeschön für den aufopferungsvollen Einsatz der Pflegenden gedacht. Laut Müller-Preinesberger hätten diese nicht nur einen großen persönlichen Einsatz zu leisten, sondern geraten teilweise auch an die Grenzen ihrer finanziellen Möglichkeiten. „Häusliche Pflege bringt keinen finanziellen Vorteil.“ Nicht selten müsse die Kommune daher einen Beitrag entsprechend Paragraf 12 Sozialgesetzbuch „Hilfe zur Pflege“ leisten.

Laut Stadtverwaltung leben in Potsdam 4000 pflegebedürftige Menschen. „In dieser Zahl sind nur diejenigen erfasst, denen einen Pflegestufe zuerkannt ist“, ergänzt Müller-Preinesberger. 2000 Potsdamerinnen und Potsdamer leben in Pflegeheimen. Die hier tätigen professionellen Pflegekräfte waren ebenfalls eingeladen, für sie gab es am Abend nach einer Führung durch das Hans Otto Theater eine Fortsetzung des Festes.

Die Stadtverwaltung hat seit reichlich zwei Jahren einen Pflegestützpunkt eingerichtet. Manuela Brockmeier und Nancy Bauer stehen im Haus II der Stadtverwaltung zur Verfügung, um Angehörige mit Rat und Tat zu unterstützen. Die häufigsten Fragen: „Wie beantrage ich eine Pflegestufe?“, „Wie und wo kriege ich Hilfe, wenn ich mich überfordert fühle?“ oder „Wie hoch sind die Zuzahlungen, wenn ein Angehöriger im Pflegeheim wohnen muss?“ Brockmeier erzählt, dass oft erst beim Hausbesuch über die notwendigen Hilfen wie einem Badumbau oder beim bevorstehenden Umzug entschieden werden könne. Wenn es um einen Umzug ins Heim gehe, stehe im Pflegestützpunkt eine aktuelle Liste der Zuzahlungen in den Potsdamer Einrichtungen zur Verfügung.

Günter Schenke

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