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Homepage: Enkel und Großvater

Studien zu den Mendelssohns erschienen

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Die Schrift „An die Freunde Lessings“ war Moses Mendelssohn so wichtig, dass er sie noch am Silvesterabend des Jahres 1785 eigenhändig zur Druckerei brachte. Schließlich ging es um den Ruf seines vier Jahre zuvor verstorbenen Freundes Gotthold Ephraim Lessing, der als Spinozist verdächtigt wurde. Als Fatalist. Als Atheist. Im ausgehenden 18. Jahrhundert galt das als veritable Beschimpfung. Lessing konnte sich nicht mehr wehren, also verteidigte Mendelssohn ihn.

Nachzulesen ist die Polemik in einer soeben erschienenen zweibändigen Studienausgabe, die eine repräsentative Auswahl von Mendelssohns Schriften nach ihren Erstdrucken bietet. Chronologisch angeordnet, beginnend mit den „Philosophischen Gesprächen“, die auf Vermittlung Lessings 1755 anonym erschienen, sind hier alle wichtigen Schriften Mendelssohns versammelt und mit kurzen Einleitungen zu Kontext und Wirkungsgeschichte versehen. Bereits sein zweites, auch 1755 publiziertes Buch „Über die Empfindungen“ etablierte den Autor, der bis dahin einfach Moses ben Mendel, Sohn des Mendel, hieß, als einen der wichtigsten philosophischen Autoren der deutschen Aufklärung. Und der jüdischen Aufklärung. Denn Mendelssohn wandte sich dezidiert an beide Öffentlichkeiten. Innerhalb weniger Jahre wurde er der bekannteste Jude Europas. Als Schriftsteller, Publizist und Rezensent war er so produktiv, dass bereits 1861 „Gesammelte Schriften“ von ihm vorlagen. Heute umfasst die – noch nicht abgeschlossene – Werkausgabe 26 Bände.

1762 durfte Mendelssohn endlich heiraten. Er wurde Vater von zehn Kindern, von denen sechs überlebten. Einer seiner vielen Enkel war der Komponist Felix Mendelssohn Bartholdy. In einer Fülle biografischer Einzelstudien präsentiert der 16. Band der „Mendelssohn Studien“ Archivfunde, die hier zum Teil erstmalig dokumentiert werden, darunter das sogenannte „Konfirmationsbekenntnis“ des 16-Jährigen sowie Akten aus seiner Studienzeit an der Berliner Universität, wo er unter anderem Vorlesungen von Hegel hörte. Allein fünf musikwissenschaftliche Aufsätze widmen sich dem Komponisten.

In drei abschließenden Beiträgen stehen andere Familienmitglieder im Mittelpunkt, so auch der Großvater Moses. Die Umstände von dessen Hochzeit sind Tobias Schenk Anlass, über die vermeintliche Toleranz Friedrichs II. gegenüber Juden aufzuklären. Im Zeitalter der Aufklärung waren diese auf sogenannte Schutzbriefe angewiesen, um eine Existenz aufbauen zu können. Diese mussten sie teuer bezahlen. So teuer, dass sich diese Sondersteuern nur wenige Familien leisten konnten. Wer nicht zahlte, wurde vertrieben. Die Abgabelast sollte sich ab den 1780er Jahren noch einmal deutlich erhöhen, zu einer Zeit, als in der gebildeten Öffentlichkeit über die „bürgerliche Verbesserung der Juden“ debattiert wurde. In Zeiten der Aufklärung war die preußische Judenpolitik, so Schenk, nichts anderes als ein revidierbarer landesherrlicher Gnadenakt. Mit Toleranz hat das wenig zu tun.

Der Aufklärer Moses Mendelssohn, der die Religion zur Privatsache erklärte, musste sich immer wieder auch gegen christliche Arroganz verwahren, die ihn zum Konvertieren aufforderte. Sein Enkel Felix, obwohl bekennender Protestant, behielt aus Respekt für den Großvater dessen Namen bei. Dem war es nicht vergönnt, seinen Enkel kennenzulernen. Auf seinem Weg in die Druckerei erkältete er sich so stark, dass er am 4. Januar 1786 mit nur 57 Jahren verstarb. Lene Zade

Moses Mendelssohn: Ausgewählte Werke. Studienausgabe / Hrsg . von Christoph Schulte , Andreas Kennecke und Grazy na Jurewicz. 2 Bd. Wissenschaftliche Buchgesellschaft 2009. Mendelssohn-Studien. Bd. 16: Zum 200. Geburtstag von Felix Mendelssohn Bartholdy / Hrsg. von Hans-Günter Klein und Christoph Schulte. Wehrhahn Verlag 2009.

Lene Zade

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