Landeshauptstadt: „Er ist wieder wach“
Als erster Supermarkt Deutschlands hat sich Rewe in der Gagarinstraße einen Defibrillator zugelegt – zur Ersten Hilfe
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Als erster Supermarkt Deutschlands hat sich Rewe in der Gagarinstraße einen Defibrillator zugelegt – zur Ersten Hilfe Von Guido Berg „Wurst in schneller Bedienung“ steht an der Theke.Weiter links beginnt das Getränkeregal. Der Mann mittleren Alters, der ausgestreckt davor liegt, ist mit einem blauen Arbeitsanzug bekleidet. Vielleicht wollte er vor Schichtbeginn noch eine Flasche Saft kaufen, war aber spät dran und in Eile? Natürlich nicht. Eine Puppe liegt am Boden. Eine Puppe, die einen Mann symbolisiert, der gestern Vormittag im Rewe-Supermarkt in der Gagarinstraße in Babelsberg einen Herzanfall erleidet. Vielleicht wird er sterben, am plötzlichen Herztod, wie 130000 Menschen jährlich in Deutschland, wie 15 Menschen in jeder Stunde. „Achtung! Notfall! AED!“ Diesen Satz ruft eine Verkäuferin, die vielleicht gerade noch gesehen hat, wie sich die Hand des Mannes in die Brust verkrallte. Sie hat den Puls an der Halsschlagader feststellen wollen – ohne Erfolg. Kein Puls. Herzstillstand. Das Gesicht des Mannes färbt sich blau. Sie könnte ihn nun beatmen, mit der Herzdruckmassage beginnen, sie könnte auf den Rettungswagen warten. Sie könnte ihn sterben sehen. Seit gestern aber kann sie mehr tun. Als erste Supermärkte in Deutschland halten die Rewe-Märkte von Eigentümer Gerhard Schönborn in Babelsberg und Beelitz so genannte Defibrillatoren einsatzbereit. Das sind Geräte, die das Fibrillieren, das Zucken der Herzkammern, mit einem kurzen Stromstoß beenden können. Geräte, die das Herz des Mannes wieder schlagen lassen können. „AED!“ – Automatischer Externer Defibrillator – ist das Stichwort für Verkäuferin Andrea Schütz oder für jede andere der 31 Verkäuferinnen in der Gagarinstraße, die alle einen AED-Lehrkurs besucht haben. Im Laufschritt rennt sie an dem Regal mit den Rewe-Regenschirmen vorbei (Aufschrift: „Wir lassen Sie nicht im Regen stehen“), öffnet den daneben an der Wand hängenden gelben Kasten. Ein gellender Piepton erklingt, eine Rundumleuchte blinkt. Sie reißt den kleinen sich darin befindenden Koffer heraus und eilt in Richtung Getränkeregal. Dort hat die Verkäuferin Doreen Gedraht vergeblich nach dem Puls an der Mann-Puppe im blauen Arbeitsanzug gesucht. Andrea Schütz klappt das gelb-schwarze Gerät auf, eine Stimme vom Lautsprecher übernimmt das Kommando: „Nach Lebenszeichen suchen!“ „Wenn keine Lebenszeichen vorhanden, Wiederbelebung starten!“ Andrea Schütz presst dem Mann ihre Ausatemluft in die Lunge, ihre Kollegin drückt 15 Mal kräftig mit überkreuzten Händen auf den Brustkorb. „Eins, zwei, drei“ Dann gibt das Gerät weiter Anweisungen und die beiden jungen Frauen führen sie sofort aus. „Kleidung vom Brustkorb entfernen!“; „Blaue Folien von Elektroden abziehen und auf Brustkorb aufkleben!“; „Schock wird vorbereitet“, „Achtung, Schock wird ausgelöst. Patienten nicht berühren!“ Drei piepsende Warntöne erschallen, dann entladen sich die Kondensatoren und wäre es nicht eine Puppe, würde sich der Oberkörper des Mannes aufbäumen vom Stromstoß. „Patientenversorgung fortsetzen!“ Wieder Beatmung, wieder Herzdruckmassage. Indes misst das Gerät wieder die Herzaktivitäten. Hätte kein Herzstillstand vorgelegen, wäre der Stromstoß unterblieben, erklärte gestern vor Ort der Berliner Charité-Professor Detlef Barckow, der das Defibrillator-Projekt wissenschaftlich begleitet. „Der Anwender muss von Diagnostik gar nichts wissen“, so Barckow. Immer wieder versetzt das Gerät dem Herz des Mannes anregende Stromstöße – bis Andrea Schulz endlich erleichtert sagen kann: „Er ist wieder wach.“ Marktleiter Schönborn erzählt, bereits vor 15 Jahren sei ihm mal eine ältere Kundin trotz Erster Hilfe in der Filiale verstorben. Damals habe es Defibrillatoren für Laien noch nicht gegeben. Er habe die technische Entwicklung verfolgt und sich mit der Charité in Verbindung gesetzt. Nun sind die in den USA entwickelten Geräte marktreif – im wahrsten Sinn des Wortes. Selbst Rewe-Marktleiter aus Berlin sind in Schönborns Filiale gekommen, um sich zu informieren. Die Kundinnen Hildegard Bierfreund und Ilse Baumert haben das Treiben indes interessiert beobachtet, und als sie erfahren, das ihr Stamm-Markt derartig Vorsorge leistet, finden sie es beide gut. Ilse Baumert meint: „Tolle Sache“.
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