Landeshauptstadt: Erfolgreich unter falschem Namen
Die IT-Branche in Potsdam kann mit großen Namen wie Oracle oder SAP aufwarten. International aber wird der Standort oft Berlin zugerechnet
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Oracle, Hasso-Plattner-Institut, SAP Innovationcenter – Potsdam kann als IT-Standort in der Tat mit einigen großen Namen aufwarten, doch aus der Ferne betrachtet, etwa aus weltweiten Hotspots der Branche wie dem Silicon Valley bei San Francisco, steht die Stadt im Schatten Berlins. „International erscheint Potsdam nicht auf der IT-Landkarte. Viele Firmen der Stadt präsentieren sich deshalb als Berliner Unternehmen. Das ist schade“, beklagte Jörn Hartwig, Mitbegründer der Potsdamer IT-Firma D-LABS und eines der Mitglieder des regionalen Branchenvereins Silicon Sanssouci, am Dienstag auf einem Branchentreffen zu den Perspektiven des IT-Standortes Potsdam. Und die sind trotz der fehlenden internationalen Anerkennung sehr gut, waren sich zumindest die rund 140 Teilnehmer im Hoffbauer Tagungshaus Hermannswerder weitgehend einig.
Angaben des brandenburgischen Wirtschaftsministeriums zufolge sind in Potsdam wenigstens 750 IT-Unternehmen mit mehr als 5000 Mitarbeitern ansässig. „In Potsdam sind wir mittlerweile ganz gut aufgestellt“, freute sich auch Potsdams Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD). Diese Entwicklung sei allerdings maßgeblich dem Engagement des SAP-Mitgründers und Potsdam-Mäzens Hasso Plattner zu verdanken, der unter anderem vor rund 14 Jahren das Hasso-Plattner-Institut in Potsdam gegründet habe, erinnerte Jakobs. „Mit dem HPI wurde der IT-Gedanke wie ein olympisches Feuer nach Potsdam gebracht.“
Aus Sicht des Landeswirtschaftsministeriums bietet Potsdams „moderne Infrastruktur und die größte Wissenschaftsdichte Deutschlands“ zudem ein hervorrangendes Fundament für eine weitere positive Entwicklung der Branche. Das Potenzial, das in einer noch engeren Verknüpfung der ortsansässigen Firmen, also der Wirtschaft, und der hiesigen Wissenschaft steckt, ist aus Sicht von Brandenburgs Wissenschaftsstaatssekretär Martin Gorholt längst noch nicht ausgeschöpft. „Wissenschaft und Wirtschaft sind in Potsdam bereits hervorragend aufgestellt. Jetzt kommt es darauf an, die Zusammenarbeit weiter zu stärken und so die Innovationsfähigkeit des IT-Standortes zu sichern“, sagte Gorholt am Dienstag auf Hermannswerder. Schließlich würden heutzutage rund 80 Prozent aller Innovationen überhaupt erst durch IT möglich. „Die Informatik ist eine Querschnittstechnologie und ein Wegbereiter für andere Branchen“, sagte der Staatssekretär.
Abhängig ist die Innovationskraft in der Branche aber vor allem auch von den kleinen, jungen Unternehmen. Und gerade die haben es in Potsdam nicht leicht. Ein großes Handicap ist nach Ansicht von Professor Oliver Günther, Präsident der Universität Potsdam, der Mangel an geeigneten Räumen. So platze das Innovations- und Gründerzentrum „Go:In“ in Golm bereits aus allen Nähten. „Nach fünf Jahren müssen die Start-ups dort raus, und weil sie in Potsdam keine geeigneten Räume finden, ziehen sie nach Berlin“, schilderte Günther die Situation. Dort ziehe es viele junge Unternehmen ohnehin schon hin, weil es „da viele coole alte Gebäude gibt, die schick hergerichtet werden“. „Zudem orientieren auch viele Finanziers ihre Gründer nach Berlin.“ Alte Bausubstanz gebe es zwar in Potsdam auch, doch sei es angesichts der Wohnungssituation schwer, Investoren von vergleichsweise unsicheren Nutzungsideen wie einem IT-Gründerzentrum zu überzeugen, sagte der Uni-Präsident. Das konnte Potsdams Wirtschaftsförderer Stefan Frerichs nur bestätigen. „Weil sich der Wohnungsbau schneller rentiert, haben wir schon einige Gewerbeflächen verloren.“ Gelöst werden könne das Problem allerdings nur politisch.
Als ein weiteres Hindernis gilt die schwierige Suche nach Fachkräften. „Berlin gilt als Stadt des Einstiegs, doch wer später Geld verdienen will, geht doch nach Köln oder München“, berichtete auch Hartwig von D-Labs. „Selbst viele unserer ausländischen Kunden haben keine Vorstellung von Potsdam.“ Um so wichtiger sei es, die Stadt als IT-Standort auch international bekannter zu machen.“ Unter anderem plane Silicon Sanssouci deshalb Ende des Jahres eine Reihe Innovationmanager großer Konzerne nach Potsdam einzuladen, um ihnen die Stadt und den Standort näherzubringen. Mit dem Versteckspielen müsse endlich Schluss sein, forderte Jörn Hartwig.
Letztlich aber, so sieht es zumindest Uni-Präsident Günther, müsse man die „führende Rolle Berlins anerkennen“ und im „konstruktiven Miteinander auf der IT-Landkarte landen“. Schließlich sei der Kuchen für beide Städte groß genug. Das sah auch Professor Ralf Vandenhouten, Vizepräsident der Technischen Hochschule Wildau, so. „Ich würde mich gar nicht so sehr von Berlin abgrenzen, nur in den Bereichen, in denen die Stadt besser ist. Ohnehin glaube ich nicht, dass man Potsdams Ruf als IT-Standort so hoch hängen kann, dass er auch in San Francisco wahrgenommen wird.“
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