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Wider das Vergessen: Erinnerungen an den 9. November
Oberbürgermeister Jakobs und weitere Politiker erinnerten an die Opfer der Reichspogromnacht.
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Synchron lasen drei Jugendliche der Jüdischen Gemeinde inmitten von Blumen und Kränzen die Namen der Opfer des Nazi-Regimes vor. Als die Teilnehmer der Gedenkveranstaltung in Potsdam längst symbolisch alle Blätter eines jungen Baumes abgepflückt hatten, waren sie noch immer nicht am Ende ihrer Liste angekommen.
Anlässlich des 78. Jahrestages der Reichspogromnacht gedachten am gestrigen Mittwoch viele Potsdamer vor dem Standort der ehemaligen Synagoge am Platz der Einheit der unzähligen Opfer. Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD) erinnerte gemeinsam mit den Mitgliedern des Hauptausschusses der Stadtverordnetenversammlung, den Vertretern der Jüdischen Gemeinden, der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen Potsdam und der Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit an die Ereignisse. „Der 9. November ist ein Tag, an dem wir an eines der dunkelsten Kapitel der deutschen Geschichte erinnern“, sagte er.
In der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938 organisierten SA- und SS-Trupps gewalttätige Übergriffe auf die jüdische Bevölkerung. Mehrere Hundert Synagogen wurden in Brand gesetzt, jüdische Geschäfte und Wohnungen zerstört. Die Pogromnacht forderte rund 400 Todesopfer. Insgesamt 30 000 Juden wurden in dieser Nacht und den folgenden Tagen verhaftet und in Konzentrationslager verschleppt. Die Nacht markierte den Übergang von der Diskriminierung der deutschen Juden seit 1933 zur systematischen Verfolgung, die später in die Vernichtung der europäischen Juden mündete.
Auch die Synagoge am damaligen Wilhelmplatz wurde verwüstet, wegen der Nähe zur Post jedoch nicht in Brand gesteckt. „Doch mit der Verwüstung des Allerheiligsten, durch das Instückereißen der Thora wurde die jüdische Gemeinde ihres religiösen Mittelpunkts beraubt“, so Jakobs. Aber es habe Bürger gegeben, die trotz der Gefahren Juden geholfen hätten – etwa Maimi von Mirbach, die Juden Unterschlupf gewährte. Er sei stolz, dass zurzeit Potsdamer Jugendliche zum Leben Gustav Herzfelds recherchierten, für den im März kommenden Jahres ein Stolperstein verlegt werden solle. Man müsse diesen Tag nutzen, um immer wieder an das Geschehene zu erinnern. „Wir gedenken heute der Opfer und wir erinnern uns zugleich an die Täter.“ Deshalb mahnte er: „Wir dürfen heute nicht wegschauen, wenn rechtes Gedankengut gesät wird. Das sind wir den Opfern schuldig.“
Im Namen der Landesregierung legten auch Finanzminister Christian Görke (Linke) und Kulturstaatssekretärin Ulrike Gutheil (parteilos) einen Gedenkkranz an den Ort der ehemaligen Synagoge. Görke verwies anlässlich der Gedenkveranstaltung auf die Verpflichtung aller Deutschen, sich der Geschichte ihres Landes gerade in der heutigen Zeit bewusst zu bleiben. Er wolle diejenigen Menschen ermutigen, nicht darin nachzulassen, den friedlichen und weltoffenen Charakter der Gesellschaft jeden Tag zu leben. „Zeigen wir gemeinsam und immer wieder, dass unser Land aus der Geschichte gelernt hat“, so Görke.
Unterdessen könnte es beim geplanten Bau der Synagoge nun doch schneller gehen als erwartet. Es gebe eigentlich keine Gründe mehr, den Bau zu verzögern, sagte ein Vertreter der jüdischen Gemeinde. Die drei jüdischen Gemeinden hatten sich jahrelang um den Entwurf für das Gotteshaus gestritten. Schließlich verhängte das Land als Bauherr 2011 einen Baustopp. Im Juni wurde schließlich ein „Israelitischer Kulturgemeindebund Potsdam e.V.“ gegründet. Die Aufgaben sollen die Weiterentwicklung des Synagogenprojektes, der Betrieb des Synagogen- und Gemeindezentrums und die Vorbereitung der Fusion der Gemeinden sein.
Anne-Kathrin Fischer
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