Landeshauptstadt: Erinnerungen an Victoria
Vor 125 Jahren weihte die Kronprinzessin den Neubau für das heutige Helmholtz-Gymnasium ein
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Vor 125 Jahren weihte die Kronprinzessin den Neubau für das heutige Helmholtz-Gymnasium ein Am 21. Oktober werden etwa 45 ehemalige „Victorianer“ in ihren eigenen vier Wänden ein Glas auf das Jubiläum ihrer alten Schule leeren: Vor 125 Jahren erhielt die aus der Großen Stadtschule hervorgegangene Bildungseinrichtung einen Neubau an der Kurfürstenstraße und den Namen Victoria-Gymnasium. „Wegen des Alters und des Gesundheitszustandes unserer Mitglieder können wir leider kein Treffen veranstalten“, bedauert Jürgen Hoeck, der Vorsitzende des Freundeskreises. Der 78-Jährige lebt als einziger Victorianer noch in Potsdam und vermittelt seinen einstigen Schulkameraden zweimal jährlich in einem Rundbrief Neuigkeiten aus der Schule und der Stadt. Von einer Jubiläumsveranstaltung sieht auch Dr. Dieter Rauchfuß ab, der heutige Schulleiter des Gymnasiums, das seit 1947 den Namen des Physiker Hermann von Helmholtz trägt. „Groß feiern werden wir erst 2013, dann wird die Große Stadtschule 275 Jahre alt.“ Das Gymnasium fühle sich aber der einstigen Namengeberin verbunden, der aus dem englischen Königshaus stammenden Kronprinzessin Victoria (1840 – 1901). Victoria nahm das ihr vom Potsdamer Magistrat angetragene Protektorat über das Gymnasium sehr ernst. Bereits am 17. Oktober 1878 erschien sie mit ihrem Gatten (dem späteren Kaiser Friedrich III.) und ihrem Sohn Wilhelm – dem späteren Kaiser Wilhelm II. – zu einer „Vorbesichtigung“. Alle drei nahmen dann vier Tage später an der Einweihungsfeier teil, bei der Lehrer und Schüler hinter der schwarz-weißen Fahne des Gymnasiums von der alten Stadtschule in der Nauener Straße – heute Friedrich-Ebert-Straße – zum Neubau zogen. Das Gymnasium führte nun den Namen der Kronprinzessin. Dass sie das Protektorat über die Schule übernahm, war keineswegs ein formaler Akt, sie beeinflusste damit auch die Lehrtätigkeit. Als Gegnerin Bismarcks setzte sich Victoria für eine Liberalisierung Preußens nach dem Vorbild Englands ein. Sie engagierte sich auf künstlerischem, sozialem und pädagogischem Gebiet. Besonders am Herzen lag ihr die Frauenbildung. Mit Themen wie „Der politische Einfluss Victorias in der Bismarckzeit“ oder „Mädchenbildung im 19. Jahrhundert“ nehme das Gymnasium noch heute darauf Bezug, erklärt Dr. Rauchfuß. Stark ausgebaut wurde der bilinguale Unterricht. So ist in den Fächern Englisch, Geschichte, Politik und fakultativ auch in Wirtschaftswissenschaften Englisch Unterrichtssprache. Mit Schulen bei London und im US-amerikanischen Philadelphia gibt es Partnerschaften und Schüleraustausch. Neben dem pädagogischen steht das bauliche Erbe. Der von Stadtbaurat Vogdt in Formen der Neogotik und Neorenaissance errichtete Backsteinbau mit seinen 21 Klassenzimmern erwies sich als so solide, dass er auch nach 125 Jahren die Anforderungen erfüllt. Zu den aktuell angestrebten Verbesserungen zählen die Schaffung weiterer Schüler- und Gruppenarbeitsräume durch Umbau des Musikbodens und die Erweiterung der Bibliothek Dabei kann Rauchfuß auf die Unterstützung des Schulfördervereins, des Helmholtz-Freundeskreises, rechnen. Ihm gehören neben jüngeren Absolventen auch einige „Victorianer“ an, darunter Wilhelm Karl Prinz von Preußen und der frühere Bundespostminister Christian Schwarz-Schilling. Die Liste prominenter Schüler ist lang: Sie reicht von Hermann von Helmholtz, dem jetzigen Namensgeber, über den Revolutionär Max Dortu, den Konzertpianisten Wilhelm Kempff, die Schauspieler Dietmar Schönherr und Anja Kling bis hin zum Handball-Olympiasieger Lothar Doering. Schulleiter Rauchfuß geht davon aus, dass das Gymnasium Absolventen den Weg in eine erfolgreiche berufliche Karriere erleichtern kann. Willkommen sei, wer die Schulprinzipien Internationalität, Toleranz und Leistungsbereitschaft bejahe und umsetze. Also eine Eliteschule, aber keine Schule der Reichen und der Schönen? Rauchfuß: „Was unsere Mädchen betrifft, sie sind schön.“ Auch damit stehen sie in der Nachfolge der Prinzessin Victoria.
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