
© Andreas Klaer
Integration von Flüchtlingen am Arbeitsmarkt: „Erklären Sie mal Wischmopp!“
Die Potsdamer Reinigungsfirma „Karstedt & Hahn“ hat mehrere Flüchtlinge eingestellt. Die Kommunikation ist nicht ganz einfach.
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Potsdam - Eines sagt Matthias Karstedt gleich vorweg: „Ich bin kein Gutmensch. Ich mache das aus reinem Eigennutz.“ Der Chef der Reinigungsfirma „Karstedt & Hahn“ ist einer der wenigen Unternehmer in Potsdam, die Flüchtlinge eingestellt haben. Drei sind es bis jetzt, sie kommen aus Eritrea, Somalia und dem Tschad. Auf den ersten Blick klingt das vielleicht nicht viel. Doch in Relation ist es das: Im ganzen Bezirk der Arbeitsagentur Potsdam konnten seit August 2015 gerade einmal zwölf Flüchtlinge in Arbeit oder Ausbildung vermittelt werden. Karstedts drei Mann mit eingerechnet.
Die Reinigungsbranche leidet extrem unter dem Mangel an Arbeitskräften. Rund 130 Mitarbeiter beschäftigt Karstedt derzeit. Und der Betrieb könnte noch wachsen, wenn es genug Mitarbeiter gäbe, so der Chef. Deshalb kam es ihm mehr als gelegen, als die Arbeitsagentur im Herbst die erste Vorstellungsrunde mit potenziellen Arbeitskräften veranstaltete. 436 Flüchtlinge sind derzeit in Potsdam arbeitssuchend gemeldet. Die, die sich die Arbeit als Putzkraft vorstellen konnten, wurden zu den Treffen mit Karstedt eingeladen. Zwei solcher Runden gab es bislang, mittlerweile schickt die Agentur die Flüchtlinge direkt in die Firma in der Zeppelinstraße.
Erst unbezahltes Praktikum, dann Arbeitserlaubnis
Doch nur mit einem Bewerbungsgespräch ist es nicht getan. Verläuft es erfolgreich und sind die Voraussetzungen gegeben – dazu gehört beispielsweise eine Aufenthaltsgestattung – machen die Flüchtlinge bei Karstedt ein dreiwöchiges Praktikum, unbezahlt. Stellen sie sich dabei geschickt an, kommen pünktlich und zeigen guten Willen, wird eine Arbeitserlaubnis beantragt. Eine Mitarbeiterin hilft bei dem komplizierten Verfahren, aber der Aufwand lohnt sich: die Arbeitserlaubnis bezieht sich nämlich nur auf „Karstedt & Hahn“.
Ein gewisses Risiko ist für Karstedt trotzdem dabei: Wenn die Männer abgeschoben werden, hat er umsonst investiert. Und auch die Eingewöhnungsphase läuft manchmal nicht ganz reibungslos. Zum Beispiel bei den Toiletten. „Die nehmen Verschmutzung ganz anders wahr“, sagt Karstedt. Jeder Handgriff müsse gezeigt werden. Doch der Wille zum Lernen sei da. „Das sind anständige Männer.“
Eine Bereichsleiterin habe sich der Männer angenommen, das klappe sehr gut. Sie fährt die Männer auch die ersten zwei Tage mit dem Auto zur Arbeitsstelle, wenn der Ort für sie neu ist. „Denen ist hier alles fremd“, sagt Karstedt. Auch sprachliche Hürden gebe es natürlich am Anfang. „Erklären Sie mal Wischmopp!“, sagt Karstedt. Kommunikation mit Händen und Füßen sei da immer wieder gefragt.
„Ich will für mich selbst sorgen“
Auch bei der Wohnungssuche werden die Neu-Potsdamer von dem Unternehmen unterstützt. Die eigenen vier Wände seien wichtig für die Zufriedenheit, außerdem sei dort keiner, der einen runterziehe, so der Unternehmer. Hinzu komme, dass die Männer oft die einzigen im Heim seien, die überhaupt eigenes Geld verdienen. 8,70 Euro die Stunde sind es ab März.
Mustafa Salih hat schon eine eigene Wohnung. Der 50-Jährige ist seit 18 Monaten in Deutschland, bei Karstedt hat er nun endlich eine Arbeit gefunden. Darüber sei er sehr froh, sagt er. „Ich will für mich selbst sorgen, deshalb ist es wichtig, einen Job zu haben.“
Mohamed Ahmed Jama hat hingegen noch keine Wohnung auf dem angespannten Potsdamer Immobilienmarkt gefunden und leidet darunter. Der 28-Jährige fängt um 3 Uhr morgens mit dem Putzen an und kommt dann vormittags in die Flüchtlingsunterkunft zurück. Dann herrscht dort zumeist Trubel und Jama kann nicht richtig schlafen.
Branche sucht nach Arbeitskräften
Andere Sorgen hat der dritte Flüchtling, den Karstedt eingestellt hat: Der 21 Jahre alte Debesay Medhane. Er besucht nebenbei die Deutschschule und ist im Unterricht oft müde wegen der Arbeit. Die Tätigkeit an sich ist in Ordnung, sagt er. Später will er vielleicht eine Ausbildung machen. Zum Bäcker. Oder Busfahrer.
Der Bereich Gebäudereinigung eigne sich recht gut für die Vermittlung von Flüchtlingen, sagt Christian Klaus vom Arbeitgeberservice der Agentur für Arbeit, Karstedts Ansprechpartner. Zum einen sei nur ein gewisses Maß an Deutschkenntnissen nötig, eine Ausbildung hingegen nicht. Und der Druck auf dem Markt ist derzeit enorm, geeignete Beschäftigte zu finden.
Noch zwei weitere Männer hat Klaus an Karstedt vermittelt, einer aus dem Tschad, ein anderer aus Pakistan. Sie befinden sich gerade in der dreiwöchigen Praktikumsphase. Wenn es nach Karstedt ginge, könnte es so weitergehen. Der Aufwand ist groß, aber er braucht die Leute eben. „Reiner Eigennutz“, betont er noch mal.
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