zum Hauptinhalt

Landeshauptstadt: Erneut 300 Potsdamer Kleingärten bedroht Niehaus: Nur 45 werden für Bebauung gebraucht

Erneut sollen in Potsdam 300 Kleingärten aus dem Stadtbild verschwinden. So bestätigte die Stadtverordnetenversammlung den Bebauungsplan, wonach die Gartenanlage Höhenstraße abgeräumt wird.

Stand:

Erneut sollen in Potsdam 300 Kleingärten aus dem Stadtbild verschwinden. So bestätigte die Stadtverordnetenversammlung den Bebauungsplan, wonach die Gartenanlage Höhenstraße abgeräumt wird. Ebenso bedroht sind 123 Gärten der Sparte Am Bornstedter Feld, die „Selbsthilfe“ und die Grünstraße in Babelsberg. PNN-Mitarbeiter Erhart Hohenstein sprach darüber mit Friedrich Niehaus, dem Kreisgeschäftsführer des Verbandes der Garten- und Siedlerfreunde (VGS). Wie bewerten Sie die neuen „Angriffe“ auf Potsdamer Kleingartenanlagen? Das Argument, die Flächen würden für die Bebauung gebraucht, ist allenfalls für 45 Gärten nachzuvollziehen. In Potsdam gibt es jede Menge leerstehende Wohnungen und nicht ausgelastete Hotelbetten. Dennoch will beispielsweise der Bodeneigentümer die Sparte Selbsthilfe am Horstweg liquidieren, um dort noch ein Hotel und Wohngebäude errichten zu lassen. In der Höhenstraße soll aber ein Kindergarten entstehen. Abgesehen davon, dass eine Kita an dieser Stelle nicht gebraucht wird, ist das nur die halbe Wahrheit. Die Hälfte des Geländes soll mit Wohnhäusern bebaut werden. Für die 89 Eigenheime, denen die Sparte Bornstedter Feld weichen soll, stehen im Potsdamer Norden auch andere Flächen zur Verfügung. Von den Mietern im mehrgeschossigen Wohnungsbau gibt es dort sogar den Wunsch nach neuen Kleingärten. Wir haben bereits 2000 einen Kompromissvorschlag vorgelegt, durch den die Mehrzahl der Gärten erhalten würde. Ihn werden wir der Stadt gegenüber jetzt wieder geltend machen. An der Grünstraße in Babelsberg müssten bei geringfügiger Änderung des Bebauungsplans nur 17 von 47 Parzellen in Anspruch genommen werden. Für die Berliner Vorstadt gibt es Absprachen, 22 der 31 Kleingärten als wohnnahes Grün in die Bebauung einzubeziehen, darüber müsste nun endlich entschieden werden. Andererseits wollen Sie an der Rosa-Luxemburg-Straße aber Kleingärten kampflos aufgeben. Der Käufer des Grundstücks will gegen eine entsprechende Entschädigung die Fläche übernehmen, um den historischen Park der dortigen Villa wiederherstellen zu können. Diesem Anliegen verweigern wir uns nicht. Überhaupt sind die angeblich so sturen Kleingärtner stets kompromissbereit, wenn es um die Ansiedlung von Gewerbe und damit die Schaffung von Arbeitsplätzen, um Sozialbauten oder wie im genannten Fall um die Potsdamer Kulturlandschaft geht. Leider wird diese Bereitschaft immer wieder enttäuscht. Wie ist das zu verstehen? Die Kleingärtner haben Anlagen wie Moosgarten und „Uns genügt’s“ in Babelsberg oder Mühlengrund in der Berliner Vorstadt gänzlich oder zum Teil aufgegeben, damit dort Gewerbe angesiedelt werden kann. Diese Flächen liegen aber seit Jahren brach und sind verkommen. Am Mitteldamm werden entgegen der mit uns getroffenen Vereinbarungen über eine Gewerbenutzung nun doch Eigenheime gebaut. Ein privater Eigentümer hat vor Gericht bestritten, dass es sich bei der Sparte Am Pannenberg um eine Kleingartenanlage handelt, und Recht bekommen. Nun müssen die Nutzer mehr Pacht zahlen. Es gibt zahlreiche Versuche, auf diese oder andere Art die Pacht zu erhöhen oder die Kleingärtner zu verdrängen. Beispielsweise fordert nach der Versteigerung des Grundstücks der Sparte „Klein Sanssouci“ der jetzige Eigentümer Konditionen, die nicht dem Bundeskleingartengesetz entsprechen, so höhere Pacht. Hier werden wir wohl um einen Rechtsstreit nicht herumkommen. Für die Flächen in städtischem Eigentum konnten wir einen Generalpachtvertrag abschließen, doch für 30 Hektar Kleingartenland haben wir diese Rechtssicherheit bisher nicht erreicht. Von der Gegenseite wird bestritten, dass der VGS der Rechtsnachfolger des Verbandes der Kleingärtner, Siedler und Kleintierzüchter (VKSK) der DDR ist. Deshalb ist es besonders wichtig, dass die betroffenen Vereine Dokumente sammeln und Zeitzeugen befragen, um die kleingärtnerische Nutzung ihres Geländes zum 3. Oktober 1990 nachzuweisen. Hat der VGS in diesen Verhandlungen denn schon Erfolge erzielt? In der großen Anlage „Sacrow-Meedehorn“ hat der Verein den Boden gekauft, für den Sparte Pappelgrund an der B 273 stehen wir vor dem Abschluss ein Kompromissvertrages, der einen Kündigungsschutz und Entschädigungen festschreibt. Manche Kleingärtner denken mit Wehmut an die 90er Jahre zurück, als ihre Massenproteste den Generalangriff auf ihre Anlagen stoppten. Jetzt beschränke sich der VGS auf den juristischen Weg. Wir schließen auch künftig solche Proteste nicht aus.Wie wichtig aber die rechtliche Regelung der offenen Probleme ist, beweisen der mit der Stadt geschlossene Generalpachtvertrag und die Verträge für einzelne Sparten, die den Bestand der Anlagen sichern. Außerdem suchen wir weiter die Unterstützung der Politik. Unmut hat bei vielen Kleingärtnern der Beschluss hervorgerufen, künftig eine jährliche Kommunalumlage von 25 Euro zu erheben. Dieser Beschluss wurde von den Vereinen auf der VGS-Kreisversammlung mit deutlicher Mehrheit gefasst. Vor allem die ständig steigenden kommunalen Steuern und Gebühren können ohne diese Umlage nicht mehr aufgebracht werden. Wir wollen diese Kosten nach dem Solidarprinzip gleichmäßig verteilen. Friedrich Niehaus ist der Kreisgeschäftsführer des Verbandes der Garten- und Siedlerfreunde. Er vertritt die Interessen vieler Potsdamer Kleingärtner gegenüber Stadt und Interessenten.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })