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Landeshauptstadt: Ernsthaft gefährdet

Saskia Hüneke zum Umgang mit der Kulturlandschaft

Stand:

Anfang der 90er Jahre wurde der Schutz des Unesco-Welterbes nur von wenigen Fachleuten und in der Politik allein von der Fraktion Neues Forum/ARGUS ziemlich erfolglos gegenüber dem Bauboom im Steuerparadies Ost vertreten. Vor allem seit der Debatte um das Potsdam-Center, in deren Folge die Unesco mehrfach Berichte und eine geregelte Abstimmung mit der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten einforderte, haben Gutachten und Denkmalbereichssatzungen den Denkmalwert der Stadtviertel sowie die Beachtung ihrer landschaftlichen Einbindung untersetzt. Heute widmen sich viele Bürger, Bürgerinitiativen und Vereine überall in der Stadt dem Erhalt oder dem Wiederaufbau von Denkmalen bzw. dem Schutz der Landschaft. Es gibt eine lebhafte Bürgerbeteiligung zu Bauvorhaben in der Stadt. Die Baubeigeordnete sichert stets Beachtung des Weltkulturerbes zu. Die Stadtverordnetenversammlung, in der die Bündnis-Grünen am konsequentesten für die Belange der Landschaft eintreten, ist fraktionsübergreifend in Bewegung: Die neue Feuerwache und das Oberlin-Vorhaben werden umgeplant, das Baurecht am Glienicker Horn reduziert, die Auslegung von B-Plänen mit Vorbehalten versehen. Das ist alles anzuerkennen. Ist denn nun alles in Ordnung? Leider nein.

Neuerdings häufen sich wieder Bauvorhaben, die die Kulturlandschaft ernsthaft gefährden: am Bürohaus an der Schiffbauergasse, bei der Villa Schöningen, am Bürgerbahnhof Potsdam-Sanssouci, am Gartenhaus der Villa Arnim in der Weinbergstraße, bei der Wohnbebauung am Lindengrund in Eiche und bei den Wohn- und Parkplatzbauplänen in Bornstedt. Im Hintergrund stehen noch ungelöste Probleme wie am Potsdam-Center, am Schloss Lindstedt und an der Villa Tumeley, bei denen es ebenso um die landschaftsübergreifende Bedeutung der Grundstücke geht. Immer werden wirtschaftliche Zwänge geschildert, sei es, um die Sanierung von Denkmalen zu finanzieren, sei es um Verträge zu erfüllen, optimale organisatorische Abläufe oder den Bau eines Parkplatzes zu sichern. Darin liegen zwei grundlegende Probleme: Zum einen kommt die Stadt als der Negativdebatte um die Kulturlandschaft nicht heraus und zum anderen wächst der Unmut über die offensichtliche Ungleichbehandlung im Kreise der Investoren bzw. Denkmaleigentümer.

In all diesen Fragen kommt der Stadtverwaltung, insbesondere der Baubeigeordneten, eine Schlüsselrolle zu. Warum stellt sie sich nicht an die Spitze der Bewegung, macht sie den Schutz der Kulturlandschaft nicht von sich aus zu ihrem Anliegen, versucht die Probleme zu lösen und geht dann mit einem abgestimmten, fachlich untersetzten Vorschlag in die dann umfassend informierte Stadtverordnetenversammlung? Dazu ist doch die von der Unesco geforderte „Leitplanung für die städtebauliche Entwicklung der Umgebungsbereiche der Welterbestätte in Potsdam“ da. Warum muss es immer wieder zu denselben Konfrontationen kommen, warum werden die Stellungnahmen der Denkmalbehörden nicht wirklich angenommen, warum kommt es immer wieder zu mangelhaften und unklaren Informationen? Warum muss man immer die höheren Mächte anrufen! Die Stadt ist verpflichtet, selbst die Unesco zu informieren – über alle relevanten Entscheidungen zur Kulturlandschaft und besonders dann, wenn Probleme zu erwarten sind wie in Bornstedt.

Andere Städte wie Görlitz, das in einer viel schlechteren Grundposition steht und dennoch in der Kulturhauptstadtbewerbung gerade an uns vorbeigezogen ist, machen uns das vor. Dort hat der Denkmalschutz erste Priorität, weil er die Entwicklungsgrundlage der Stadt ist. Potsdam ist Teil einer weltweit einmaligen Kulturlandschaft. Ihre Berücksichtigung ist nicht Selbstzweck. Neben der internationalen und kulturellen Verpflichtung ist sie unsere wichtigste Wirtschaftsgrundlage, weil sie eine ungewöhnliche Wohnqualität ermöglicht und weil sie die Chance bietet, den Tourismus für möglichst viele Orte in der Stadt zu interessieren. Das geht aber nur, wenn wir die Landschaft konsequent bewahren und die gewollten und notwendigen Weiterentwicklungen daraufhin gestalten. Es gibt immer eine Lösung. So real wirtschaftliche Zwänge in einem Bauvorhaben sein mögen, es kann nicht sein, dass sie allein die städtebauliche Figur bestimmen. Die aktuellen Probleme müssen grundlegend neu angegangen werden, die nächste Nagelprobe steht mit dem Areal gegenüber vom Obelisken bevor. Hier kann die Stadtverwaltung einmal zeigen, wie es von vornherein richtig laufen kann.

Die Autorin ist Mitglied der Stadtverordnetenversammlung für Bündnis 90/Grüne und Kustodin der Skulpturensammlung bei der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten.

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