Landeshauptstadt: Erst Schulen, dann Schloss
PDS ließ 400 Potsdamer Haushalte befragen
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PDS ließ 400 Potsdamer Haushalte befragen Von Günter Schenke Dr. Wolfram Wallraf betätigt die Tasten seines mit dem Projektor verbunden Laptops und auf der Wand erscheint der tortenartige Kreis einer Grafik. Das größte „Tortenstück“ ist Gelb und besagt: 48,4 Prozent der Potsdamer Haushalte stellen sich am Alten Markt in Zukunft ein Stadtschloss vor. Das ist ein Kernergebnis der Befragung, die Wallraf im Juni dieses Jahres in 400 Haushalten vorgenommen hat. Befragt wurden Leute in der Berliner Vorstadt, im Musikerviertel, am Schlaatz und Am Kanal. Doch lässt sich aus dem großen gelben Tortenstück nicht ohne weiteres schlussfolgern, dass fast fünfzig Prozent der Potsdamer dem Schlossneubau die erste Priorität einräumen. Bei der Frage nach den städtebaulichen Prioritäten nämlich rangiert der „historische Kern“ mit Schloss und Garnisonkirche auf Rang sieben. An erster Stelle steht die Instandhaltung der Schulen und „Großsiedlungen“. PDS-Kreisvorsitzender Jura Schöder leitet daraus die Forderung ab: „Es gibt genügend andere Probleme in der Stadt und erst wenn die gelöst sind, kann man an das Stadtschloss denken.“ Bei den 48,4 Prozent, die sich künftig einen Stadtschlossbau vorstellen können, handelt es sich beileibe nicht um Befürworter des originalgetreuen Aufbaus. Sie stellen sich vielmehr ein Gebäude in der „Kubatur“ des Schlosses vor. 19,4 Prozent wollen gar eine moderne Bebauung von Potsdams Mitte. Nach Meinung von PDS-Fraktionschef Hans-Jürgen Scharfenberg sei dieser Anteil deshalb so gering, weil zum historischen Vorbild bisher keine echte Alternative angeboten wurde. Seine Schlussfolgerung aus der Umfrage lautet: Ein großer Teil der Befragten kann sich wohl ein „stadtschlossähnliches Gebäude“ vorstellen – aber unbedingt müsse das nicht sein. Es gibt keinen Grund an der Seriosität der Umfrage zu zweifeln und es wäre zu wünschen, dass die Ergebnisse einer breiteren Öffentlichkeit zur Verfügung stehen. Die Ergebnisse spiegeln die Befindlichkeit der Potsdamer und die Situation in der Stadt auf objektive Weise wider. Zum Ausdruck kommt die Meinungsspaltung zwischen Wenig- und Vielverdienern, zwischen Jungen und Alten sowie zwischen Alt- und Neubürgern. Zum Beispiel will eine überwältigende Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger, die bereits vor 1945 in der Stadt lebten, den Wiederaufbau der historischen Mitte nach dem originalen Vorbild; die Hinzugezogenen sehen das weit lockerer. Nach Meinung von Scharfenberg habe die Mehrheit der Potsdamer andere Sorgen als den Wiederaufbau des Stadtschlosses. Der PDS-Fraktionschef kritisiert in diesem Zusammenhang Baubeigeordnete Elke von Kuick-Frenz, die zwar von Prioritätensetzung spreche, dann aber alle Projekte ohne Rangfolge aufliste. In einer Zeit knapper Kassen den Schlossgrundriss mit immensen Kosten freimachen und den Verkehr umlegen zu wollen, hält Scharfenberg für verfehlt. Selbst 29 Prozent der Befürworter des Schloss-Wiederaufbaus sprachen sich gegen eine Straßenverlegung im Bereich Breite Straße / Friedrich-Ebert-Straße aus. Bei den Schloss-Gegnern sind es 92 Prozent. Neben der „Schloss-Frage“ legt die Befragung eine gewisse Zerrissenheit in der Stadt offen. 40 Prozent der Schlaatz-Bewohner sehen die Mitte überhaupt nicht am Schloss-Standort. Und nur zwanzig bis 50 Prozent – je nach Befragungsgebiet – halten die Potsdamer Innenstadt heute für attraktiver als noch 1990. Sanierung und Tourismus hätten sich entwickelt, aber es gebe viel Schmutz und zu hohe Mieten. Ein Kaufhaus, einen niveauvollen Handel sowie Parkplätze wünschen sich die meisten im Zentrum. Doch viele haben Potsdam, obwohl sie hier wohnen, in mancher Beziehung schon den Rücken gekehrt. So gibt etwa ein Drittel der Befragten an, die Einkäufe in Berlin zu erledigen und bei Theater- und Kulturerlebnissen ist es die knappe Hälfte. Was den Neubau eines Landtagsgebäudes betrifft, gibt es laut Scharfenberg zu viele unbekannte Größen. Für ihn komme nur eine Lösung „so preiswert wie möglich“ in Betracht. Und die sieht der PDS-Kommunalpolitiker vor allem auf dem Brauhausberg: „Dort oben ist Entwicklungspotenzial.“
Günter Schenke
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