zum Hauptinhalt

Links und rechts der Langen Brücke: Erst sehen, dann bauen

Guido Berg über städtebauliche Versäumnisse und die Erkenntnis, dass Grundstücke in öffentlicher Hand eine Gestaltungschance sind

Stand:

Die Geschichte der jüngeren Potsdamer Stadtplanung ist die Geschichte von Zufälligkeiten, Spontanitäten, Kurzfristigkeiten. Fahren auf kurze Sicht mit gelegentlichem Übergang zum Blindflug, das darf seit Mitte der 1990er Jahre als Devise bezeichnet werden. Gleich nach der Wende wurden mit dem Beschluss zur behutsamen Annäherung an den Stadtgrundriss und dem Baustopp für das Theater an der Alten Fahrt Wege in die Zukunft aufgezeigt. Dann begann die Agonie: Bloß nicht das Ganze denken. Wer städtebauliche Visionen hatte, war halb auf dem Weg zum Arzt. In solchem Umfeld musste der Masterplan von Christoph Kohl als Geniestreich gelten – er überplante Speicherstadt und Brauhausberg auf einen Schlag. Die Chefs von Stadtwerke und Pro Potsdam, Peter Paffhausen und Horst Müller-Zinsius, wiesen in dieser Woche zu Recht darauf hin, dass sie im Zuge zweier Motive zu Brauhausberg und Speicherstadt kamen, die mit Städtebau nichts zu tun haben. Die Stadtwerke kauften den Brauhausberg, weil dort das Niemeyer-Bad hinsollte. Das Land winkte mit Millionen – bis es nicht mehr winkte und die Pläne scheiterten. Die Pro Potsdam kam zu ihrer ersten Speicherstadt-Fläche, weil sie ihr von der Stadt zwangsverkauft wurde – um den Stadthaushalt zu stützen. Allerdings sollte diese unbewältigte Vergangenheit nun nicht herhalten zur Torpedierung der goldenen Regel „Erst sehen, dann bauen.“ An der Alten Fahrt wird sie angewendet – die Bauherren zeigen erst Entwürfe und dürfen bei Gefallen Grundstücke von der Stadt kaufen. Das sichert Qualität. Diese Erkenntnis hat Potsdam mit den allseits für ihre Nicht-Architektur kritisierten Gebäude der IHK, dem Potsdam-Center und dem Bahnhofsviertel teuer erworben. Nun muss sie Anwendung finden – auch im Nordteil der Speicherstadt.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })