Landeshauptstadt: Erzählungen aus der Vergangenheit
In der Gesprächsreihe „Zur Person“ gewährte Karl Stenzel Einblicke in sein Leben als Antifaschist.
Stand:
In der Gesprächsreihe „Zur Person“ gewährte Karl Stenzel Einblicke in sein Leben als Antifaschist. Ungeduldig und angespannt sitzt Karl Stenzel an einem Tisch im Café Nowawes in Babelsberg. Seine Unterarme liegen parallel zu den Tischkanten, vor ihm flackert eine Kerze, die fast schon abgebrannt ist. Mit eindringlichem Blick beobachtet er die Gäste, die noch am Tresen stehen und sich vom Kellner eine Graupensuppe empfehlen lassen. Stenzels Lippen verziehen sich zunehmend zu einem schmalen Strich. Es ist kurz nach 20 Uhr. Laut Plan sollte der 90-Jährige eigentlich bereits seit fünf Minuten seinen großen Auftritt haben. Er wartet darauf, dass es endlich losgeht, darauf, dass er endlich loslegen kann, denn Karl Stenzel hat viel zu erzählen. Vom 2. Weltkrieg. Von seinem Leben als Antifaschist. Von seiner Zeit als Moorsoldat im Emsland. Von seiner Arbeit als DDR-Parteisekretär. Von seiner Tätigkeit als Leiter der Lagergemeinschaft Sachsenhausen und als Vizepräsidenten des Internationalen Sachsenhausenkommitees. Karl Stenzel ist auf Einladung von Politaktivist Lutz Boede gekommen, als Gast der Reihe „Zur Person“. Am Mittwochabend erlebte diese ihre zweite Auflage. In unregelmäßigen Abständen soll sie fortan in den verwinkelten Räumen des Cafés stattfinden. Die Reihe ist als „ausführliches Gespräch“ angedacht, denn die Probleme der Welt, so Boede, können nicht immer nur in Halbsätzen abgehandelt werden. Halbsätze sind Karl Stenzels Ding ohnehin nicht. Nachdem sich der gebürtige Leipziger, der heute im brandenburgischen Groß Köris wohnt, kurz vorgestellt hat, beginnt Boede mit seiner Befragung und arbeitet die auf einem Block notierten Fragen der Reihe nach ab. Wie man denn Kommunist wird, will er von dem kleinen, gedrungenen Mann wissen. „Man wird es gefühlsmäßig. Meine Freunde waren Kommunisten, da bin ich mitgegangen“, sagt Stenzel und erzählt ausführlich von seiner Arbeit im organisierten kommunistischen Widerstand, von seiner Verhaftung durch die Nazis und seiner insgesamt zwölfjährigen Gefangenschaft in verschiedenen Konzentrationslagern und Zuchthäusern. Die Gäste folgen seinen Ausführungen aufmerksam, einige von ihnen nippen dabei gelegentlich am Bier. Etwa 30 zumeist junge Menschen haben sich zu Beginn der Veranstaltung eingefunden. Im Laufe des Abends kommen noch ein paar hinzu. Aufgrund von Platzmangel hocken sie sich auf den Boden. In Karl Stenzels Erzählungen vermischen sich Melancholie und Verklärung gleichermaßen. Gerne verliert sich der rüstige Herr in Details. Mitunter fällt es Moderator Lutz Boede schwer, sich die Gesprächsführung nicht außer der Hand nehmen zu lassen.In der Rolle des Unterhalters, des aufgeregten Plauderers gefällt sich der ehemalige Widerstandskämpfer sichtlich. Stenzel genießt die Aufmerksamkeit und die Lacher, die er erntet, wenn er etwa von den Prügeleien mit der Gestapo erzählt und bekennt: „Da hab ich gerne mitgemacht. Das war eigentlich wie heute.“ Seine Mundwinkel schieben sich nach oben, zu einem kurzen, heiteren Lachen. hey
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: