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Landeshauptstadt: „Es eilt ja nicht, die Stadt ist doch da“

Hans Stimmann, der Baumeister des Nachwende-Berlin kritisiert die Planungen für den Alten Markt und rät zu einer langen Auszeit

Stand:

Der langjährige Senatsbaudirektor von Berlin, Hans Stimmann, rät der Stadt Potsdam im Streit um den Landtagsneubau auf dem Alten Markt zu einer Auszeit von mehreren Jahren. „Wenn das Bauprojekt vom Stadtparlament zwei Mal abgelehnt worden ist, kann man nicht einfach so weitermachen“, sagte Stimmann, der von 1991 bis zu seiner Pensionierung im Herbst dieses Jahres für die zentralen Bau- und Stadtentwicklungsplanungen in der Hauptstadt zuständig war, in einem Gespräch mit den PNN. Er kritisiert, dass in Potsdam in all den Jahren nie eine wirkliche Auseinandersetzung mit der Rekonstruktion auf dem Alten Markt stattgefunden habe. Stimmann plädiert für einen Wiederaufbau des alten Stadtschlosses. Sei dies nicht möglich, komme die Stadt um einen wirklich modernen Bau mit zeitgenössischer Architektur nicht umhin: „Es gibt nur Entweder-oder – bloß keine Collage aus Alt und Neu.“ Die derzeitige Planung „werde dem Ort nicht gerecht“.

Stimmann, der als Baumeister des Nachwende-Berlins gilt, sagte, eine Auszeit von etwa fünf Jahren bis zu einem neuen Anlauf sei angemessen. Es müsse aber mindestens gewartet werden, bis die Wahlperiode von Oberbürgermeister und Stadtparlament abgelaufen sei – das wäre 2008 der Fall. Vor einem neuen Anlauf rate er zu einer offenen Diskussion: „Den Befürwortern einer Wiederherstellung der alten Stadtstruktur in der Mitte rate ich zu offensiver Heimatkunde – sie müssen in einer offenen Diskussion die Leute wirklich zu überzeugen versuchen – also: Zeit nehmen!“ Lakonisch fügt er an: „Es eilt ja nicht, die Stadt ist doch da, es kann ja nichts passieren.“

Von einer Bürgerbefragung wie sie in Potsdam nun mehrfach gefordert wurde, rät Stimmann ab. Eine Befragung reduziere die Fragestellung nur auf ein Ja oder Nein und werde der Komplexität des Problems nicht gerecht. Außerdem würden die unterschiedlichen Lager nicht versöhnt, sondern die Fronten nur verhärtet. „In einer solch wichtigen Frage darf es aber am Ende keine wirklichen Verlierer geben.“

Stimmann, der bei der Stadterneuerung und den Neubauten in der Berliner Mitte nach der Wende gegen teils erhebliche Kritik die sogenannte „kritische Rekonstruktion“ durchgesetzt hatte, sprach sich für den Wiederaufbau des alten Stadtschlosses auf dem Alten Markt aus. Doch reiche es nicht, an so wichtiger Stelle nur ein Gebäude auf dem Grundriss und in den Umrissen des alten Schlosses mit historisierenden Fassaden zu errichten: „Wenn auf dem alten Grundriss gebaut werden soll, dann richtig.“ Es mache zudem keinen Sinn, den alten Stadtgrundriss nur am Alten Markt wieder herzustellen: „Wenn, dann muss klar sein, dass es dann auch für alle anderen wichtigen Bereiche der historischen Innenstadt gilt. Entweder richtig oder gar nicht“, so Stimmann. Gehe es nur darum, einen Landtag zu bauen und nicht vorwiegend darum, damit auch das alte Schloss aufzubauen, müsse auch nicht auf dem alten Grundriss gebaut werden. „Wenn es nur nach außen historisierend sein soll, dann wäre es die schlechteste Lösung.“

Grundsätzlich gelte in der Stadtplanung und Architektur: „Weg ist weg.“ Es könne nicht nur von außen so getan werden, als habe man das alte Schloss wieder aufgebaut: „Das ist Murks.“ Eine wirkliche Auseinandersetzung mit dem alten Schlossbau – einst Winterquartier der Königsfamilie – hat nach Stimmanns Ansicht in der Landeshauptstadt nie stattgefunden. „Man kann nicht nur die alten Umrisse nehmen. Man muss sich auch mit der alten Gebäudeaufteilung und den wichtigsten Innenräumen und deren ursprünglichen Funktionen befassen, und klären, welche Räume wichtig und prägend waren und dann entscheiden, wie in einem wiederaufgebauten Schloss damit umgegangen werden muss.“. Stimmann: „Welchen Sinn macht denn eine Rekonstruktion, wenn man die wichtigsten Räume nicht zeigt und die alte Gebäudestruktur zerstört?“ Der alte Bau müsse „dahingehend abgefragt werden, ob er ohne Zerstörung der wichtigsten Räume und unter Beibehaltung der Eckresalite geeignet ist, den Landtag aufzunehmen“. Gelinge dies nicht, müsse auf einen Wiederaufbau verzichtet werden und nach einer modernen Lösung gesucht werden. Ist ein Wiederaufbau nicht finanzierbar, „kann man ihn eben nicht machen“. Ein wie in Potsdam derzeit geplanter Zweckbau mit historischen Elementen an einigen Fassadenseiten „ist buchstäblich oberflächlich“.

Stimmann verweist auf den Stand der Berliner Schloss-Diskussion, die eine Analogie zur Potsdamer sei: „Wir haben in Berlin seit Jahren einen Wiederaufbaubeschluss und bis heute keinen Bebauungsplan.“ In Potsdam müsse endlich geschehen, „was wir in Berlin mit der Internationalen Bauakademie machen – den Bau Meter für Meter unter die Lupe nehmen und wirklich jede Detailfrage im Vorfeld klären.“ Stimmann riet den Potsdamer Planern und Politikern, sich von der aktuellen Bebauungsplandebatte zu lösen. Der Bebauungsplan sei nur das Instrument, um den politischen Willen auch verwirklichen zu können. Die Diskussion um das, was tatsächlich von der Stadt gewollt ist, sei noch lange nicht beendet: „Ein Bebauungsplan steht am Ende – aus meiner Sicht ist Potsdam aber noch lange nicht so weit.“

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