Landeshauptstadt: „Es gab keine Feier“
Hannes Wittenberg über den Abzug der Besatzer
Stand:
Herr Wittenberg, die Bewohner des Sowjetischen Militärstädtchens Nr. 7 in der Nauener Vorstadt verließen am 15. August 1994 Potsdam. Wie war das, haben die damals einfach das Licht ausgemacht und hinter sich abgeschlossen?
Es gab eine Zeremonie zur Schlüsselabgabe, mit dem stellvertretenden Kommandanten, Potsdams Oberbürgermeister Horst Gramlich und der Presse. Aber keinen großen Aufmarsch, keine Feier.
Und anschließend durften die Potsdamer rein?
Nein, noch bis Sommer 1995 blieb das Tor verschlossen und der Wachschutz passte auf, dass keiner rüberkletterte. Man hatte ja auch Angst vor Vandalismus. Außerdem mussten die Eigentumsverhältnisse vieler Villen geklärt werden. Natürlich waren da viele erst mal enttäuscht. Es gab sogar die Idee zu einem zweiten Mauerfall, eine Initiative hatte bereits neue Wege vom Pfingstberg in Richtung Neuer Garten angelegt, aber die endeten eben alle an der Mauer.
Aber Sie durften sofort rein?
Ja, wir Museumsmitarbeiter durften rein – mit einer Betretungsvollmacht.
Was gab es da zu sehen?
Nichts von Bedeutung, die haben ja alle relevanten Dokumente mitgenommen. Es gab den üblichen Bodensatz aus nicht mehr verwertbaren Haushaltsgegenständen und Propaganda-Platten, Gerümpel und abgewirtschaftete Häuser.
Keine spektakulären Funde?
Einmal haben wir einen unbelichteten Film gefunden, da hatten sich sowjetische Soldaten auf dem Gelände fotografiert, das war schon etwas Besonderes.
War es gruselig, plötzlich durch die „Verbotene Stadt“ zu laufen?
Nein, es war fast romantisch. Es war ein wunderschöner Herbst, wir liefen durch die stillen, menschenleeren Straßen, die endlich einmal nicht zugeparkt waren. Manchmal begleiteten uns bei den Rundgängen damals schon ehemalige Häftlinge, mit denen wir bereits in Kontakt standen.
Die Fragen stellte Steffi Pyanoe
Hannes Wittenberg, 47, Diplom-Museologe, ist stellvertretender Leiter des Potsdam Museums. 1994 gehörte er zu den Ersten, die das verlassene KGB-Städtchen betreten durften.
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