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Interview zum KGB-Städtchen: "Es gab keine Feier"
Er durfte as einer der ersten in Potsdams "Verbotene Stadt": Hannes Wittenberg über den Abzug der Besatzer.
Stand:
Herr Wittenberg, die Bewohner des Sowjetischen Militärstädtchen Nr. 7 in der Nauener Vorstadt verließen am 15. August 1994 Potsdam. Wie war das, haben die damals einfach das Licht ausgemacht und hinter sich abgeschlossen?
Es gab eine Zeremonie zur Schlüsselabgabe, mit dem stellvertretenden Kommandanten und Potsdams Oberbürgermeister Horst Gramlich und der Presse. Aber keinen großen Aufmarsch, keine Feier oder Zeremonie.
Hannes Wittenberg, 47 Jahre, ist seit 1986 Mitarbeiter im Potsdam Museum und heute dessen stellvertretender Leiter. Im August 1994 gehörte er zu den ersten, Potsdamern, die das KGB-Städtchen betreten durften.
Und anschließend durften die Potsdamer rein?
Nein, noch bis Sommer 1995 blieb das Tor verschlossen und der Wachschutz passte auf, dass keiner rüberkletterte. Man hatte ja auch Angst vor Vandalismus. Außerdem mussten die Eigentumsverhältnisse vieler Villen geklärt werden. Natürlich waren da viele erstmal enttäuscht. Es gab sogar die Idee zu einem zweiten Mauerfall, eine Initiative hatte bereits neue Wege vom Pfingstberg in Richtung Neuer Garten angelegt, aber die endeten eben alle an der Mauer.
Mehr zum neuen Gedenkkonzept für die ehemalige KGB-Stadt lesen Sie in der WOCHENENDAUSGABE der POTSDAMER NEUESTEN NACHRICHTEN
Aber Sie durften sofort rein?
Ja, wir Museumsmitarbeiter durften rein – mit einer Betretungsvollmacht.
Was gab es da zu sehen?
Nichts von Bedeutung, die haben ja alle relevanten Dokumente mitgenommen. Es gab den üblichen Bodensatz aus nicht mehr verwertbaren Haushaltsgegenständen und Propaganda-Platten, Gerümpel und abgewirtschaftete Häuser.
Keine spektakulären Funde?
Einmal haben wir einen unbelichteten Film gefunden, da hatten sich sowjetische Soldaten auf dem Gelände fotografiert, das war schon etwas Besonderes. War es gruselig, plötzlich durch die „Verbotene Stadt“ zu laufen?
War es gruselig, plötzlich durch die „Verbotene Stadt“ zu laufen?
Nein, es war fast romantisch. Es war ein wunderschöner Herbst, wir liefen durch die stillen, menschenleeren Straßen, die endlich einmal nicht zugeparkt waren. Manchmal begleiteten uns bei den Rundgängen damals schon ehemalige Häftlinge, mit denen wir bereits in Kontakt standen.
Was wusste man denn überhaupt von dem Gelände?
Die Bevölkerung kümmerte sich nicht darum, man ging da einfach nicht hin. Vielleicht auch, weil man wusste, dass man sich besser nicht mit denen einlässt. Uns Museumsmitarbeitern war bekannt, dass es dort ein Gefängnis des Geheimdienstes gab, der überwiegende Teil der Bevölkerung hatte davon mit Sicherheit keine Ahnung. Und dass sogar das ganze Gelände dem KGB gehörte, das merkten wir erst bei den Besichtigungen.
Wie muss man sich den Auszug der Sowjets aus dem Militärstädtchen vorstellen? Rollten die Umzugswagen durch die Straßen oder bekamen das die Potsdamer gar nicht mit?
Der Truppenabzug war ja schon lange vorher beschlossene Sache. Das Städtchen Nummer 7 war das letzte, das geräumt wurde. Vermutlich weil die Spionageabteilung bis zum Schluss arbeitete und schaute, dass sich niemand noch auf den letzten Metern absetzte. Schon lange vorher wurden Container in der Siedlung verteilt, für den Hausrat der Bewohner, und dann mit LKWs abtransportiert. Und irgendwann kamen halt keine LKWs mehr vorbei.
Die Fragen stellte Steffi Pyanoe
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