Landeshauptstadt: „Es gab nie ein Problem“
In Potsdam-West sollen Flüchtlinge Tür an Tür mit alteingesessenen Mietern leben. Leverkusen macht damit bereits gute Erfahrungen, sagt Sozialdezernent Frank Stein – und nennt einen wichtigen Unterschied
Stand:
Herr Stein, in Potsdam wird über die Unterbringung von Flüchtlingen in zwei Wohnblocks diskutiert, sie sollen Tür an Tür mit den bisherigen Nachbarn leben. In der Stadt Leverkusen leben Asylbewerber schon seit zehn Jahren in normalen Wohnungen – das sogenannte Leverkusener Modell. Warum haben Sie sich damals so entschieden?
Damals war die Situation so: Eine erhebliche Zahl von Flüchtlingen lebte bereits in diversen Übergangswohnheimen, die zum Teil in katastrophalem Zustand waren, vor allem baulich. Zudem sind solche Unterkünfte mit gemeinschaftlichen Sanitäranlagen gerade für Familien sehr schwierig. Die ganze Situation war also humanitär fragwürdig – wir standen vor der Wahl, die Heime mit erheblichen Mitteln zu sanieren oder möglichst viele Asylbewerber in Wohnungen unterzubringen.
Und wie sieht das Modell genau aus?
Wir versuchen, Flüchtlinge – etwa über die Kirche – in normale Wohnungen zu vermitteln. Am Anfang, vor zehn Jahren, haben wir achtzig Personen aus einem Wohnheim in der ganzen Stadt in Wohnungen ziehen lassen. Das hat erstaunlich gut geklappt – es gab nie ein Problem, dass einer der Asylbewerber nicht zurechtkam und zurück in ein Heim musste.
Wie erklären Sie sich das?
Ängste und Konflikte entzünden sich eher im Umfeld von Übergangsheimen, in denen sehr viele Menschen aus anderen Ländern zusammenwohnen, gerade wenn viele junge Männer an so einem Ort leben. Insofern wirkt die dezentrale Unterbringung entkriminalisierend – vor allem Kinder wachsen in einem Umfeld auf, dass nicht kriminell ist. Oft wissen die Nachbarn bei uns gar nicht, welchen Status ihre neuen Nachbarn haben – denn die in die Wohnungen vermittelten Personen sind ganz normale Mieter, wie Sie und ich. Dazu war unser Modell nicht teurer, als wenn wir die Übergangsheime saniert hätten.
Also haben Sie nicht – wie in Potsdam jetzt geplant – extra Wohnblocks ausgewiesen, in denen die Menschen unterkommen?
Nein. Die Stadt Leverkusen hat sich selbst keine Wohnkontingente für bestimmte Blocks besorgt: Das wäre dann ja wie die Außenstelle eines Übergangsheimes. Wir sind der Meinung, dass für die Flüchtlinge ein selbstsbestimmtes Leben ein Wert an sich ist. In Nordrhein-Westfalen gibt es mehrere Kommunen, die ähnlich verfahren – gerade bei Menschen, die voraussichtlich länger bei uns bleiben werden. Allerdings haben wir auch heute noch solche Sammelunterkünfte – ich will nicht verschweigen, dass wir mit dem Vermitteln in Privatwohnungen nicht so nachkommen, wie wir uns das wünschen würden. Unter anderem liegt das an den steigenden Mieten in Leverkusen. Aber bei uns gibt es noch Nischen, in denen freie Wohnungen verfügbar sind.
Verstehe ich Sie richtig: In Städten mit einem angespannten Wohnungsmarkt könnte ihr Modell an Grenzen stoßen?
Ja, das ist so. Bei uns in Nordrhein-Westfalen gibt es große Unterschiede zwischen den Wohnungsmärkten der einzelnen Regionen unseres Bundeslandes, das macht sich auch bei diesem Thema bemerkbar.
Zurück nach Potsdam: Wenn Sie von dem Modell hören, dass Flüchtlinge in ausgewiesenen Wohnblocks mit angestammten Altmietern Tür an Tür leben sollen, sozialpädagogisch betreut und von Nachbarschaftsvereinen unterstützt. Glauben Sie aus ihrer Erfahrung heraus, dass so etwas funktionieren kann?
Ja, das kann ich mir durchaus vorstellen. Allerdings kommt das nicht von selbst, deshalb ist eine intensive haupt- und ehrenamtliche Begleitung dieser Maßnahme unverzichtbar.
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