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Interview zur Inklusion: „Es geht um die Stärken jedes einzelnen Kindes“

Roswitha Lohwaßer vom Zentrum für Lehrerbildung der Potsdamer Uni erklärt im PNN-Gespräch die Chancen der Inklusion - und ihre Hürden. der Umsetzung

Frau Lohwaßer, in Zukunft sollen auch lernschwache Kinder auf normalen Schulen unterrichtet werden. Was müssen Ihre Studierenden für diesen Inklusionsansatz nun lernen?

Es geht nicht nur darum, in Zukunft lernschwache Kinder mit in der Klasse zu haben. Es geht vielmehr insgesamt um die Heterogenität der Schulklasse. Das reicht von lernschwachen Kindern bis zu Kindern mit einer besonderen Begabung. Im gesamten Spektrum soll die Individualität gefördert werden. Das haben wir nun in Potsdam stärker in den Mittelpunkt der Lehre gestellt.

Lesen Sie das Interview in voller Länge in der MITTWOCHAUSGABE der POTSDAMER NEUESTEN NACHRICHTEN

Was ändert sich in Potsdam?

Ein wichtiger Schritt ist, dass wir seit dem Wintersemester 2013/14 schulstufenbezogen ausbilden, also für die Grundschule in dem Studiengang Primarstufe und für die Oberschulen und Gymnasien im Studiengang Sekundarstufe I und Sekundarstufe II. Die Besonderheit in Potsdam ist, dass alle Studierenden im Lehramtsstudium inklusionspädagogische Inhalte zu absolvieren haben und die Studierenden im Studiengang Primarstufe den Schwerpunkt Inklusion wählen können. Die zukünftigen Grundschullehrer werden Deutsch und Mathematik unterrichten und Kompetenzen im Umgang mit den Förderschwerpunkten „Sprache“, „Lernen“ und „Sozial-emotionale Entwicklung“ verfügen.

In Zukunft sollen die Grundschullehrer beides können: grundschulpädagogischen Fachunterricht in den Kernfächern und individuelle Förderung auch für Kinder mit besonderem Förderbedarf. Kann das überhaupt gut gehen?

Ich denke ja. Ziel und Aufgabe des Grundschullehrers ist, solche Bedingungen im Unterricht zu schaffen, dass jedes Kind seine Anlagen, Fähigkeiten und schöpferischen Kräfte weiterentwickeln kann. Dazu ist es notwendig, dass man die Stärken jedes Kindes – und jedes Kind hat Stärken – kennt und daran anknüpft. Die doppelte Qualifikation der zukünftigen Grundschullehrer befähigt, über den eigenen Unterricht hinaus besondere Aufgaben, zum Beispiel Beratungsaufgaben in der Schule, zu übernehmen.

Roswitha Lohwaßer

(58 ) ist Geschäftsführerin des Zentrums für Lehrerbildung an der Uni versität Potsdam, das das 7. Bundestreffen der Zentren für Lehrerbildung am 27. März in Potsdam ausrichtet.

Werden die Lehrer durch die doppelte Aufgabe nicht überfordert?

Wir haben heute ohnehin schon heterogene Klassen. Die Anforderungen an die Lehrer bestehen also bereits heute. Im Gegensatz zu einigen Pädagogen bin ich persönlich aus meiner Arbeit mit Gruppen der Meinung, dass die Gruppengröße durchaus wichtig dafür ist, wie ich einen Menschen individuell fördern kann. Kleinere Klassen stressen den Lehrer weniger und er kann sich besser auf den einzelnen Schüler konzentrieren. Für eine gezielte Förderung oder Hilfe müssen der Entwicklungsstand, die Stärken, die Probleme des Einzelnen genau gekannt werden. Schon die Diagnostik und erst recht das Ableiten von Schlussfolgerungen für die pädagogische Arbeit, sei es die Erarbeitung von individuellen Entwicklungsplänen oder das Anbahnen von gezielter individueller Hilfe, etwa einer Lerntherapie, bedürfen bestimmter Kompetenzen des Lehrers und Zeit. Zeit, sich mit jedem Schüler beschäftigen zu können, die Eltern mit ins Boot zu holen, Unterstützungsangebote zu finden und mit den Beteiligten zu kommunizieren und zu kooperieren. Diese Kompetenzen finden nun verstärkt Berücksichtigung in den neuen Studienordnungen.

Das Gespräch führte Jan Kixmüller

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