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Von Antje Horn-Conrad: Es gibt kein Richtig und kein Falsch

„Metamorphosen“: Wie die Potsdamer Kunstschule ihren Schülern helfen kann, sich frei zu malen

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Es kreucht und fleucht in den Räumen der Potsdamer Kunstschule. Spinnen, Kröten und Salamander lugen unter saftigem Blattwerk hervor. Ein Chamäleon wechselt die Farbe. Blitzschnell hat es mit klebriger Zunge die Fliege erwischt, die es starrblickend ins Visier genommen hatte.

Wer sich auf die Bilderwelten der am Freitag beginnenden Ausstellung „Metamorphosen“ einlässt, findet sich schnell in fernen Regionen dieser Erde wieder, im wild wuchernden Regenwald oder auf den rauen Galápagosinseln, dort, wo Charles Darwin seine entscheidenden Entdeckungen machte. Im Jahr des 200. Geburtstags des großen Biologen haben sich auch die Mal-, Grafik- und Keramikkurse der Kunstschule mit der Evolution beschäftigt. „Natürlich nicht im wissenschaftlichen Sinne, sondern mit unseren bildnerischen Mitteln“, erklärt Thea Moritz, die seit vielen Jahren die kunstpädagogische Arbeit des Hauses leitet.

Beim Malen mit Kindern und Jugendlichen legt sie besonderen Wert darauf, deren Fantasie wach zu halten, ihrem Gestaltungswillen freien Lauf zu lassen, sie nicht einzuengen oder zu beschränken. „Gibt man ein Thema vor, holen Kinder nicht selten einen spitzen Bleistift hervor, um detailgetreu genau das abzubilden, was von ihnen erwartet wird“, beschreibt Thea Moritz einen zumeist schulisch begründeten Prozess, den sie gern umkehren möchte. „Wir geben den Kindern Pinsel, Farbe und große Papierbögen, auf denen sie sich frei ausmalen sollen.“ Dabei sei es nicht wichtig, die größtmögliche Ähnlichkeit mit dem realen Vorbild zu erreichen. Vielmehr komme es darauf an, tatsächlich eine eigene Sicht auf die Dinge zu zeigen, sagt die Kunstschulleiterin und weist auf die farbenprächtigen Dschungelbilder der Acht- bis Zwölfjährigen hin. Ganz typisch bei den Jüngeren sei es zum Beispiel, Bäume in den Himmel wachsen, ihnen aber nur an den Seiten Äste sprießen zu lassen. „So, wie sie die Bäume aus ihrer Augenhöhe eben wahrnehmen.“

In dieser Hinsicht gibt es in der Kunstschule kein Richtig und kein Falsch. Die Kursleiter vermitteln den Schülern vorrangig, mit welchen Gestaltungstechniken sie welchen künstlerischen Ausdruck erreichen können. Das Thema Evolution bot sich hier besonders an, erklärt Thea Moritz, denn „die Kunst lebt von Wandel und Veränderung“. Um dies selbst nachvollziehen zu können, haben einige Kinder klassische Vor-Bilder von Picasso und Van Gogh in mehreren Variationen verfremdet oder aber mit ihren eigenen Mitteln fortgesetzt. Jedes Bild kann auf seinen Ursprung zurückgeführt werden, und doch ist dabei etwas Neues entstanden.

Den Begriff der Metamorphose wörtlich genommen haben die jüngeren Kunstschüler. Voll gefressene Raupen verwandeln sich in ihren Bildgeschichten in bunt gestreifte Puppen, aus denen schließlich zarte Schmetterlinge schlüpfen.

Dass die Kunst darf, was der Wissenschaft nicht erlaubt ist, zeigen die Arbeiten aus den Kursen älterer Schüler und Erwachsener. Sie erfanden Fabelwesen, die es vielleicht gegeben hätte, wäre die Evolution anders verlaufen: gehörnte Katzen, Fische mit Beinen, ein Drache im Tigerfell. Für die Älteren ist es eine Herausforderung, in kindliche Fantasien einzutauchen, hat Thea Moritz beobachtet. In den aktuellen Arbeiten aber sei das sehr gut gelungen.

Mehr an den wissenschaftlichen Fakten orientieren sich die Illustrationen zu den verschiedenen Finkenarten auf den Galápagosinseln, die Darwin einst den entscheidenden Kenntnisgewinn brachten. Auch die Arbeiten der Jüngsten, der Vier- bis Sechsjährigen, halten sich an die Tatsachen. „Obwohl sie von Biologie noch nicht viel verstehen, wissen sie doch, dass der Mensch vom Affen abstammt“, erklärt Thea Moritz den Hintergrund der witzigen Doppelporträts. Einem aus Pappmaché modellierten Selbstbildnis haben die Vorschulkinder je ein Abbild ihrer tierischen Urahnen beigefügt, würdevoll umkränzt mit bronzenem Rahmen.

Wie die vielen vorangegangenen Ausstellungen, so zeigen auch die aktuellen „Metamorphosen“ die ganze Vielfalt der in der Kunstschule vermittelten Techniken, von der Druckgrafik über die Malerei bis zum plastischen Gestalten. An Versteinerungen urzeitlicher Tiere und Pflanzen erinnern die Arbeiten aus dem Keramikkurs. Tönerne Blüten öffnen und entfalten sich. Für Thea Moritz eines der treffenden Sinnbilder für Veränderung, in der Natur wie in der Kunst.

Kulturhaus Babelsberg, Karl-Liebknecht-Str. 135, Vernissage 20.3., 18.30 Uhr, geöffnet bis 15.5., Mo-Fr 9-18 Uhr

Antje Horn-Conrad

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