Aus dem GERICHTSSAAL: „Es ist mir halt passiert!“
Alte Mutter mit Telefonhörer verletzt / Bewährung
Stand:
Dietmar D.* (48) klebt wie eine Klette an seiner Mutter. Eine eigene Wohnung besaß der Junggeselle noch nie. Als die betagte Dora D.* Anfang 2005 von der Burgstraße zum Stern zog, stand der Sohn wenig später mit Sack und Pack vor ihrer Tür. Wieder gab es häufig Streit, forderte die alte Dame den Arbeitslosen auf, sich endlich selbst eine Bleibe zu suchen. Doch diesmal blieb es von seiten des Dietmar D. nicht bei bösen Worten. Am 1. September 2005 soll er der damals 76-Jährigen einen Telefonhörer an den Kopf geworfen haben. Dora D. erlitt eine klaffende Platzwunde an der Stirn. Exakt drei Monate später verpasste der Hartz-IV-Empfänger der Seniorin laut Anklage eine schallende Ohrfeige.
„Es ist mir halt passiert. Eigentlich war es nicht meine Absicht. Aber ich hatte den Hörer gerade in der Hand. Beim zweiten Mal sei ihm selbige unkontrolliert ausgerutscht“, gestand der Angeklagte gestern vor Gericht. Er wurde wegen gefährlicher sowie einfacher Körperverletzung zu sieben Monaten Freiheitsstrafe auf Bewährung verurteilt. Außerdem hat er binnen eines halben Jahres 100 Sozialstunden zu leisten.
Der ganze Ärger sei nur wegen des Betreuers seiner Mutter entstanden, berichtete Dietmar D. „Der kümmert sich um Sachen, die überhaupt nicht in seinen Verantwortungsbereich fallen. Und er hetzt Mutter gegen mich auf.“ Die Vorsitzende konterte: „Es ist anscheinend wichtig, dass Ihre Mutter vor Ihnen geschützt wird. Bei der Polizei hat sie ausgesagt, sie könne Ihre Unordnung nicht länger ertragen. Überall in der Wohnung ständen Kisten mit ausrangiertem Kram herum.“ Außerdem – so die Richterin – habe der Angeklagte 50 Sammeltassen, auf die Dora D. sehr stolz war, zerbrochen, ihren Kassettenrekorder zerstört, lebe auf Kosten seiner Mutter wie die Made im Speck. Als die Rentnerin zwei Wochen im Krankenhaus verbringen musste, dem Sohn ihre EC-Karte für die nötigsten Einkäufe anvertraute, soll er das gesamte Konto leergeräumt, zudem ein Minus von 3000 Euro hinterlassen haben.
„Ihre Mutter ist jetzt im Pflegeheim. Da können Sie nicht hinterher ziehen“, gab die Vorsitzende zu bedenken. „Wie soll es mit Ihnen nun weitergehen?“ Er würde demnächst Erwerbsunfähigkeits-Rente beziehen, sei bereits auf der Suche nach einer kleinen Wohnung“, erzählte der Mann mit dem ungepflegt wirkenden Bart. „Tut mir ja alles irgendwie leid. Ich werde meiner Mutter bestimmt nie wieder Gewalt antun“, versicherte er dann.
Gegen die eigene Mutter vorzugehen sei moralisch mehr als daneben, befand das Gericht.Weil der Angeklagte bislang nicht vorbestraft ist, könne die Strafe allerdings im unteren Bereich angesiedelt werden. (*Namen geändert.) Hoga
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