Landeshauptstadt: „Es ist nicht mehr die Garnisonkirche“
Potsdam hat eine neue Architektur-Debatte: Mitteschön kritisiert Abweichungen vom Gerlach-Original
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Innenstadt - Der bislang nur schwelende Streit um die Architektur der wiederzuerrichtenden Potsdamer Garnisonkirche ist offen entbrannt. Joachim Kuke von der Bürgerinitiative Mitteschön warf am Montagabend dem Architekten Thomas Albrecht vom renommierten Architekturbüro Hillmer & Sattler und Albrecht den Fehdehandschuh hin. Die von Albrecht in der Kapelle in der Breiten Straße vorgestellten Baupläne für den 88,8 Meter hohen Garnisonkirchenturm stellten eine durchaus gute Lösung dar. Doch das Problem sei, so der Kunsthistoriker Kuke: „Es ist nicht mehr die Garnisonkirche!“
Stein des Anstoßes sind Abweichungen vom Original des Architekten Philipp Gerlachs (1679-1748), nach dessen Entwürfen die Barockkirche zwischen 1730 und 1735 errichtet wurde. Aus „purer Angst“, der Turm könnte nicht standhalten, sei er „mit Masse gebaut“ worden, erklärte gestern Abend noch vor Ausbruch der Debatte der Potsdamer Architekt Andreas Kitschke. Daher wurde ein extremes, bis zu sechs Meter dickes Mauerwerk errichtet. Aus diesem Grund verlief im Erdgeschoss nur ein Kreuzgang, zu DDR-Zeiten als provisorische Kapelle genutzt. Einen Teil der dicken Mauern weglassend, will Albrecht nun im Auftrag der Evangelischen Kirche einen achteckigen, modernen Kapellenraum schaffen, der Platz für 400 Personen bietet. Modern sei der Raum, ausgestattet mit einer nicht-sichtbaren Beleuchtung und versteckten Akustik-Elementen, um „eine erkennbare Andersartigkeit zum Kirchenschiff“ zu haben, die sich jedoch nicht widerspricht, sondern „in einem logischen Zusammenhang“ steht, wie Albrecht sagte. In der Dresdner Frauenkirche finde sich dies ebenso, dort sei das Untergeschoss verwendet worden, um jenseits des großen Schiffes einen Ort für das Gebet zu finden. Die Achteckigkeit der Turmkapelle begründete Albrecht mit der europäischen Bautradition. So sei schon die Kirche San Vitale in Ravenna aus dem Jahr 547 in einer achteckigen Grundform gebaut worden, nicht zuletzt aber auch die Neuendorfer Angerkirche in Babelsberg. „Es ist eine sehr anerkannte, traditionelle Form“, so der Architekt. Die Acht stehe im Christentum für den achten Tag, den Tag der Auferstehung Jesu Christi. Ferner plant Albrecht in der Turmkapelle einen Fußboden aus Ölandstein in verschiedenen Farbtönen, wodurch als stilistisches Mittel eine Erinnerung an den alten Originalkreuzgang der Kirche erkennbar werde. Die Oberflächen der Wände sollen als geschlemmtes Ziegelmauerwerk ausgeführt werden. Ferner stellte Albrecht interessante Details seiner Bauplanung vor: So werde es im Außenbereich „Unterflurabfallbehälter“ geben, die zur Befüllung oder Entleerung per Lift aus dem Boden emporsteigen. Ferner ist eine Beheizung der Kirche durch eine Erdwärmeheizung geplant, mit der 60,8 Prozent an ausgestoßenem Kohlendioxid im Vergleich zu einer Fernwärme-Heizung eingespart werden kann. Mitteschön-Protagonist Kuke ließ den Verweis Albrechts auf die Dresdner Frauenkirche nicht gelten. Dort seien alle technischen Anlagen in einem Untergrundbauwerk untergebracht worden. So habe die Frauenkirche aufgebaut werden können, „wo sie war, wie sie war“, so Kuke. Bei der Garnisonkirche werde von diesem Prinzip abgewichen.
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