Landeshauptstadt: „Es ist wichtig, Kinder nicht auszuschließen“
Constanze Contudo ist Trauercoach. Sie unterstützt Kinder und Erwachsene bei Verlusterfahrungen
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Frau Contudo, warum sollten sich Schüler und Pädagogen Ihrer Meinung nach mit dem Tod befassen?
Es ist leichter, wenn sie sich mit dem Thema beschäftigen und es nicht auslagern, weil Tod und Trauer einfach zum Leben dazugehören. Wenn wir kein Wissen haben, was da eigentlich passiert, kann es sein, dass man sich wie ein Außerirdischer fühlt, wenn plötzlich jemand stirbt. Man ist seiner Trauer dann hilflos ausgeliefert. Und Pädagogen brauchen ganz schnell Handlungsoptionen, wenn zum Beispiel die Mutter eines Kindes gestorben ist. Oft haben sie sich in ihrer Ausbildung nie damit beschäftigt. Trauerarbeit ist immer noch nicht Bestandteil einer Erzieherausbildung, bei den Lehrern ist es ähnlich.
Wie können Pädagogen das Thema angehen?
Es gibt wunderbare Methoden, wie man mit Kindern das Thema Sterben und Trauer behandelt. Über die Björn-Schulz-Stiftung kann man einen Methodenkoffer mit Unterrichtsentwürfen und Hintergrundwissen ausleihen. Ich selber berate auch und vermittle Basiswissen.
Basiswissen zum Tod?
Zum Beispiel gibt es verschiedene Trauerphasen und in jeder Phase etwas Bestimmtes zu tun. Oder es geht um das Wissen, was bei dem Sterbeprozess eigentlich geschieht. Inhalt der Seminare sind auch die verschiedenen Altersstufen: Was verstehen die Kinder in welchem Alter überhaupt und wie kann ich sie in ihrer Altersstufe gut begleiten.
Kinder reagieren in der Regel ja viel offener auf Fragen zum Tod.
Kinder haben nicht die Berührungsängste, die wir ihnen zuschreiben. Sie leben im Hier und Jetzt mit allem, was sie umgibt. Und dazu gehört der Tod. Wenn wir Erwachsenene unsere Ängste auf sie übertragen, indem wir sie nicht mit auf die Beerdigung lassen, dann nehmen wir ihnen die Möglichkeit eines natürlichen Umgangs mit dem Tod und ihr Recht, sich zu verabschieden. Es ist ganz wichtig, die Kinder nicht auszuschließen.
Wenn es zu einem Todesfall in der Klasse kommt – was empfehlen Sie den Lehrern, wie sie damit umgehen sollen?
Ganz wichtig sind ehrliche, klare und offene Informationen. Die Lehrer sollten schnellstmöglich recherchieren, was wirklich passiert ist, damit nicht Gerüchte wie ein Lauffeuer die Runde machen. Selbst wenn es ein Suizid ist, sollten sie Kinder auch darüber informieren und ihnen nichts Falsches erzählen. Die Kinder können mit der Wahrheit besser umgehen als mit wohl gemeinten Notlügen. Und sie brauchen einen geschützten Raum, wo sie weinen oder sich anders ausdrücken können. Es kann ein Abschiedsritual geben, damit die Trauer einen Ort bekommt. Man könnte Briefe schreiben lassen, die man ins Grab gibt.
Also nicht schnell zum Alltag übergehen?
Ganz genau. Das würde den Trauerprozess erschweren. Erst sieht es so aus, als ob es kein Problem gibt, aber später kann die Trauer wieder aufbrechen. Ich habe viel mit Leuten mit erschwerten Trauerprozessen zu tun. Viele sagen: Hätte ich mich damals nicht abgelenkt oder hätten meine Eltern mir damals erlaubt, in dieser schwierigen Situation zu bleiben.
Was macht man mit dem leeren Platz in der Klasse?
Man könnte einen schönen Blumenstrauß auf den Platz stellen und solange er noch nicht verwelkt ist, wird alles so gelassen. Wenn er verwelkt, überlegt man gemeinsam, wie es weitergeht. Auch als Zeichen, dass man lebt und das Leben weitergestaltet.
Gibt es in den Schulen einen großen Nachholebedarf in Sachen Trauerarbeit?
Der Bedarf ist noch sehr hoch. Ich glaube aber auch, dass die Lehrer unter einem enormen Druck stehen, was sie jeden Tag zu leisten haben. Es fehlt an Ressourcen, sich intensiv mit einem Thema zu beschäftigen, das einen sehr bewegt. Aber die, die sich damit befasst haben, sind sehr dankbar und sehen, dass es sie eigentlich nicht schwächt, sondern stärkt.
Die Fragen stellte Grit Weirauch
Constanze Contudo, Jahrgang 1970, ist Heilpraktikerin für
Psychotherapie in Potsdam. Sie begleitet Trauergruppen und bietet Krisenhilfe
sowie Fortbildungen für Lehrer an.
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