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Von Eva Schmid: „Es muss doch jemand schwanger sein“

Keine Werbung, keine Kunden – die Schwierigkeiten der Händler rund um die Brandenburger Straße

Von Eva Schmid

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Drei Schaufensterpuppen mit dicken Bäuchen stehen auf dem Bürgersteig vor dem Haus in der Gutenbergstraße Nummer 14. Sie sollen Potsdamer und Touristen auf den „Umstandsladen“ im Erdgeschoss des Hauses aufmerksam machen. Der Laden mit Schwangerschafts- und Stillmode, Kinder-Öko-Kleidung und Babytragen eröffnete erst im Mai letzten Jahres. Ende diesen Jahres hängen in den Schaufensterscheiben zwei große Schilder: „Bis zu 50 Prozent reduziert“ und „Nachmieter gesucht“. Der „Umstandsladen“ ist der vierte Laden mit Produkten für Kinder und werdende Mütter innerhalb weniger Monate, der schließt. Allein in der Jägerstraße standen in den letzten anderthalb Jahren die Läden „a la baby“, „Gänseblümchen“ und der „Sandläufer“ für Kinderschuhe wegen fehlender Kunden vor dem Aus. Doch was ist der Grund dafür? Kinder gibt es genug; nach dem aktuellen Quartalsbericht der Landeshauptstadt sind in diesem Jahr bereits über 1200 Kinder in Potsdam zur Welt gekommen.

„Ich will hier so schnell wie möglich raus, jeder Tag hier drin, bringt mich noch mehr in finanzielle Schwierigkeiten“, berichtet die Ladeninhaberin Angela Schickhoff, selbst Mutter von vier Kindern. Über die Gründe für ihre bevorstehende Ladenschließung kann sie nur mutmaßen. Es liege jedenfalls nicht an einer überzogenen Miete, der Quadratmeter koste um die zehn Euro; im Viertel, so berichtet sie weiter, könne das auch doppelt so hoch ausfallen. „Bis Oktober diesen Jahres haben wir Händler immer noch unsere Werbeaufsteller in der Brandenburger Straße hingestellt, um wenigstens ein paar Leute anzulocken“, nachdem die Stadtverwaltung jedoch erst gemahnt habe, sei nun hart durchgegriffen worden. Ein Bußgeld von einhundert Euro flatterten der finanziell angeschlagenen Ladenbesitzerin ins Haus. Seit Oktober, dem Zeitpunkt, an dem sie ihren Aufsteller aus der Haupteinkaufsstraße entfernte, sei ihr Umsatz rapide eingebrochen, „hier kam keiner mehr vorbei; ich verstehe das nicht, es muss doch jemand schwanger sein!“

Um das Problem zu lösen soll eine veränderte Werbesatzung auf den Weg gebracht werden. Die soll „verträgliche Werbung“ in der Brandenburger Straße und den umliegenden Geschäftsstraßen zulassen, den herrschenden „Schilderwahn“ allerdings eindämmen, sagt Wolfgang Cornelius. Der Vorsitzende der Händlervereinigung AG Innenstadt kündigte an, Händlervorschläge zu Modifizierungen der Werbesatzung zu liefern. Sammelaufsteller gehören dabei auch zu den Ideen. Bis dahin plädieren Cityhändler auf „moderate Übergangslösungen. Die Stadt hingegen pocht derzeit lediglich auf die konsequente Kontrolle der gültigen Werbesatzung, die wilde Aufsteller verbietet. Proteste an der Werbeaufstellerflut kam insbesondere von Behindertenvertretern, die Bereiche in der Innenstadt wegen der Aufsteller, die zu Stolperfallen für Blinde, Sehbehinderte und Rollstuhlfahrer werden als „No-Go-Area“ bezeichnet hatten.

Für Einzelhändler in der Geschäftsstraße wird dies nun wiederum zur Stolperfalle. Das Schicksal des „Umstandsladen“ ist in Potsdams Innenstadt kein Einzelfall. Ein benachbarter Händler bemerke den Kundenrückgang in seinem Schallplattengeschäft ebenfalls, so Angela Schickhoff. Seit Jahren klagen die Ladenbesitzer aus dem Holländischen Viertel über fehlende Kunden.

In der Gutenbergstraße ist in der Hausnummer 97 der Kindermodeladen „Kokopelli“. Bereits seit elf Jahren steht Ursula Richter in ihrem kleinen Laden und „immernoch kommen Potsdamer hier rein und fragen mich, ob mein Laden neu ist.“ Sie kann sich jedoch nicht beschweren, denn ihr Laden ist günstig gelegen: „Gegenüber ist der Drogeriemarkt dm, da gehen unglaublich viele junge Familien rein, die kommen dann auch zu mir“.

Gegenüber den PNN erklärten einige Händler rund um die Brandenburger Straße, dass sie nur noch mit Aufstellern direkt vor ihrem Geschäft werben. Die Besitzerin eines Delikatessengeschäfts in der Jägerstraße fürchtet jedoch, „dass die Stadt uns das auch noch verbieten wird“. Von den Werbemöglichkeiten auf den offiziellen Hinweistafeln in der Brandenburger Straße ist sie nicht sehr überzeugt, „das kostet erstens sehr viel und zweitens fällt das doch keinem Passanten wirklich auf“.

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