DER GUTACHTER: „Es war auf der Kippe, wir waren dicht dran“
Der staatlich bestellte und vereidigte Gutachter für Tragwerksplanung Dipl.-Ing.
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Der staatlich bestellte und vereidigte Gutachter für Tragwerksplanung Dipl.-Ing. Norbert Seidel (54) gehört der Geschäftsführung der Potsdamer Ingenieurgesellschaft für Bauwesen Dr. Zauft an. Den PNN sagte er, was er bei seinen Prüfungen an der Schwimmhalle festgestellt hat:
Überprüft wurden die elf blauen Stahlstützen an der Vorderseite der Halle. „Nur eine von den elf Stahlstützen war nicht ganz so schlimm.“ Bei den anderen zehn waren am oberen Ende, unter den Verkleidungen an den Übergängen zur Dachkonstruktion erhebliche Rostschäden „besonders an den Verschraubungen“ festgestellt worden. Ausgehend von daraufhin angestellten statischen Berechnungen sei keine andere Möglichkeit geblieben, als die Halle sofort zu schließen. Potsdam ist zwar nicht an einer Katastrophe vorbeigeschrammt, aber „das Restrisiko war nicht mehr tragbar, die Standfestigkeit der Halle ist auf der Kippe gewesen – wir waren dicht dran“. Die Stützen an der Rückseite der Halle wurden noch nicht untersucht, sie sind wegen des Anbaus schwer zu erreichen. In dieser Woche sollen, je nach Witterung, auch diese Pfeiler untersucht werden – offen ist wie – „ob mit Hebebühne, Rüstung oder Kran.“
Das „hochkomplizierte statische System“ war 1967 berechnet worden. Damals war ausgerechnet worden, dass auf jedem Pfeilerkopf eine Last von 112 Tonnen aus der Dachkonstruktion lastet. Wegen der Postschäden hat das Ingenieurbüro eine statische Vergleichsrechnung durchgeführt und festgestellt, „dass es eine Lastüberschreitung gibt“. „Wie lange die Halle geschlossen bleiben muss, ist völlig offen, zunächst müssen wir den Rest der Hallenkonstruktion überprüfen. Das kann bis zu aufwändigen Materialtests gehen.“ Die bisher gefundenen Schäden sind reparabel. Welcher Aufwand dazu erforderlich ist, ist noch unklar, da bei der Überprüfung von Konstruktionsverbindungen, der im Dachbeton gespannten Stahlstangen und von Muffenstößen noch mehr Schäden und Materialermüdungen gefunden werden können. Ob die Halle stehen bleiben kann, kann erst nach Abschluss der Untersuchungen gesagt werden: „Das schwächste Glied in der Kette entscheidet. Jedes System ist nur so stark, wie sein schwächstes Teil.“Aufgezeichnet von Peter Tiede
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