Aus dem GERICHTSSAAL: „Es war eine Hass-Liebe!“
Lidl-Überfall: Ex-Lebensgefährtin des vermeintlichen Räubers im Zeugenstand
Stand:
Mit seinen ordentlich gekämmten blonden Haaren, der randlosen Brille und dem dicken Aktenordner vor sich wirkt Rainer M. (36) wie ein Buchhalter. Und so etwas ähnliches war er auch in der Vergangenheit. Bis Ende Juli 2001 führte er mit seiner Lebensgefährtin einen kleinen Zeitschriften- und Lottoladen in Berlin, erledigte exakt den Papierkram. Dann wurde der Mann verhaftet.
Seit dem 5. April muss sich Rainer M. wegen schweren Raubes vor dem Landgericht verantworten. Er soll mit einem unbekannt gebliebenen Komplizen am 10. Januar 2001 einen Lidl-Markt in der Potsdamer Großbeerenstraße überfallen, von den geschockten Mitarbeiterinnen die Einnahmen der Spätschicht gefordert haben. Zwei Wochen später soll das bewaffnete und maskierte Duo eine Lidl-Filiale in Zossen heimgesucht haben (PNN berichteten). Bislang schweigt Rainer M. zum Tatvorwurf. Doch Spezialisten des Landeskriminalamtes Brandenburg sicherten an der Innenseite einer am Tatort Großbeerenstraße gefundenen Maske DNA-Material, das auf den Angeklagten als einen der Täter hinweist.
„Keine der befragten Lidl-Mitarbeiterinnen hat meinen Mandanten wiedererkannt“, warf die Verteidigerin am gestrigen Verhandlungstag ein. Dann beantragte sie, einen derzeit in der JVA Tegel sitzenden Bekannten von Rainer M. als Zeugen zu laden. Er werde bekunden, dass er den Angeklagten am Abend des 10. Januar 2001 in seiner Berliner Wohnung besucht habe. Die Sitzungsvertreterin der Staatsanwaltschaft lehnte diesen „hanebüchenen Beweisantrag“, der ihrer Ansicht nach lediglich der Prozessverschleppung diene, ab.
„Es war eine Hass-Liebe“, berichtete die langjährige Lebensgefährtin von Rainer M. im Zeugenstand. „Wir konnten auf Dauer nicht miteinander, aber auch nicht ohne einander leben. Rainer hatte keine schöne Kindheit, wie er mir erzählte. Er kam nach der Geburt ins Heim, wurde im Alter von sechs Jahren adoptiert. In dieser Familie waren immer viele Pflegekinder. Als er 13 Jahre alt war, ließen sich die Leute, zu denen er Mama und Papa sagte, scheiden.“ Seine späteren Freunde – so die einstige Partnerin – hätten ihr gar nicht gefallen. „Das waren faule Schweine. Die haben den ganzen Tag lang nichts gemacht.“ Auch Rainer M. habe lieber Zuhause auf dem Sofa gelegen oder mit seinen zwei Katzen gespielt. Sie sei richtig stolz auf ihren mehrfach vorbestraften Freund gewesen, als er eine kaufmännische Ausbildung begonnen und sich im florierenden Lottoladen engagiert habe. „Rainer wusste aber auch, wenn er wieder straffällig wird, ist endgültig Schluss“, erzählte die gepflegte Blondine gestern. Heute sei sie froh, dass dieses Kapitel ihres Lebens hinter ihr läge.
Die Verhandlung wird im kommenden Monat fortgesetzt. Hoga
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