Landeshauptstadt: Etwas HELLA
Wohin zieht es den Menschen, wenn er nicht gerade die Einsamkeit in der Natur sucht? Schauen Sie sich in Potsdams Innenstadt um.
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Wohin zieht es den Menschen, wenn er nicht gerade die Einsamkeit in der Natur sucht? Schauen Sie sich in Potsdams Innenstadt um. Es zieht ihn mitten ins Gewühl. Da kann der hintere Restaurantgarten noch so schön grün und freundlich ausgestattet sein, der Mensch im allgemeinen und der Tourist im besonderen sitzt gern autoabgasumwabert am Straßenrand. Dörfler gehen sogar – laut Reiseleiter – schon in die City „Leute gucken“ wie in den Zoo.
Doch bei aller Bereitschaft, gewisse Torturen auf sich zu nehmen und Natur gegen so richtig echtes städtisches Gewühl einzutauschen, ein schöner Blick auf historische Bauten oder hervorragende Stadtlandschaften gelten noch immer als besondere Anreiz, sich auf Sightseeingtour zu begeben. Und da hat Potsdam für die Unternehmungslustigen einiges zu bieten.
Zum Beispiel den Luisenplatz mit Blick auf das Brandenburger Tor und den Springbrunnen davor. Im Sommer lenkt Letzterer die Blicke zum Glück auf sich. Hat man ihm aber die schwungvolle Fontäne abgedreht, dann bleibt von den Gaststättenstühlen an der Westseite des Platzes nur noch die überaus attraktive Aussicht auf vier Gitterkästen und ein Klo. Diese Wunder architektonischer Gestaltungskunst markieren die Eingänge in die Tiefgarage und sind angeblich eine Hommage an die Sonnenlauben rechts und links von Sanssouci. Allerdings habe nicht nur ich – völlig sorgenfrei – Schwierigkeiten, die Ähnlichkeit zu entdecken.
Denn sonst hätte es keinen Antrag in der Stadtverordnetenversammlung gegeben, dem Platz etwas mehr Charme oder Grün oder Beides zu verleihen. Vorerst ist der Antrag abgelehnt, die architekturpreisgekrönte Einöde aus zweierlei Pflaster und einer ganzen Portion Einfallslosigkeit bleibt, wie sie ist. Aber über Schönheit lässt sich bekanntlich nicht streiten. Es spricht allerdings Bände, wann und wo sich die Platznutzer sammeln. Denn die verweilen vorwiegend am Springbrunnenrand und lassen dort die Seele und die erhitzten Füße baumeln. Ansonsten machen sie, dass sie wegkommen. Die Gastronomen wollen den Luisenplatz auch nicht nutzen. Der Weg an den Autos vorbei über die Straße ist ihnen zu gefährlich.
Bleiben noch die Feierlichkeiten, für die sich ein kahler Platz hervorragend eignet. Zum Beispiel am 1. Mai. Solche Aufmarschleere hatten wir schon einmal hingezaubert bekommen auf der Breiten Straße und auch die war mit einem Architekturpreis gekrönt worden. Es lebe die edle Leere und – die arme Königin Luise als Namensgeberin für den Platz kann nichts dafür – der kernige Blick auf Käfige und Klo.
An dieser Stelle schreibt künftig alle zwei Wochen Hella Dittfeld über Dinge, die sie erfreuten oder ärgerten und hofft, dass dadurch ihr geliebtes Potsdam etwas heller wird. Man darf aber auch ganz anderer Meinung sein.
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