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Homepage: Evaluation gegen Wildwuchs Podiumsdiskussion zu Geisteswissenschaften

„In den Geisteswissenschaften gibt es keinen Qualitätsdiskurs“, sagte Stefan Hornbostel, Leiter des Instituts für Forschungsinformation und Qualitätssicherung (IFQ) der Deutschen Forschungsgemeinschaft. Er zeichnete unlängst im Einstein Forum ein chaotisches Bild der deutschen Geisteswissenschaften.

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„In den Geisteswissenschaften gibt es keinen Qualitätsdiskurs“, sagte Stefan Hornbostel, Leiter des Instituts für Forschungsinformation und Qualitätssicherung (IFQ) der Deutschen Forschungsgemeinschaft. Er zeichnete unlängst im Einstein Forum ein chaotisches Bild der deutschen Geisteswissenschaften. „Das Dilemma besteht in der ausfransenden Publikationslandschaft über alle Medien“, so der Forscher. Es fehle schlichtweg der Überblick und ein einheitliches Zentrum in der Disziplin. „Wiederholung kann so nicht von Fortschritt unterschieden werden.“ Der Institutsleiter benannte gravierende Defizite gegenüber den klar geregelten Naturwissenschaften. „Kommunikationsstrukturen und fachinterne Standards fehlen in den Geisteswissenschaften völlig.“ So gäbe es keine klaren Hierarchien und keine zentralen Publikationsorte, die bei der Auslese von wirklich bedeutsamen Autoren und Texten Orientierung bieten könnten.

Um sich diesem Problem zu stellen, sollen nun Evaluierungsverfahren eingeführt werden. Ob es objektivierbare Standards und Kriterien gibt, die Qualität von Forschungsvorhaben und -ergebnissen zu bewerten, war eine der offenen Fragen der Podiumsdiskussion im Einstein Forum. Unstrittig war jedenfalls, dass die Fülle und Vielfalt an Publikationen ein wirkliches Problem in der geisteswissenschaftlichen Forschung geworden ist.

„Evalutation kann ein Mittel sein, die Wildwüchse einer freien Universität zu beschneiden“, sagte Sybille Krämer, Professorin für theoretische Philosophie an der Freien Universität Berlin. Sie erklärt sich den Beginn der Unübersichtlichkeit in den Geisteswissenschaften mit dem Entstehen von Massenuniversitäten Ende der sechziger Jahre. Waren es in früheren Jahrzehnten nur etwa vier Prozent einer Altersschicht gewesen, die auf eine Universität gingen, so ist die Ziellinie heute 40 Prozent. Wobei Deutschland hier noch unter dem westeuropäischen Durchschnitt liegt.

Jürgen Kaube, Redakteur im Feuilleton der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, geht in seinen Erklärungen noch etwas weiter. „Seit Ende der sechziger Jahre hat man die billigen Fächer voll laufen lassen, um die Arbeitslosigkeit zu mildern.“ Publikationen seien dadurch banal unübersichtlich geworden. Man hätte immer speziellere Themen verteilt. Jetzt werde politisch so agiert, dass man die Studentenzahlen schrumpfen will. Diesen Ansatz halte er wiederum für verfehlt. Denn es handele sich um ein rein technisches Mengenbewältigungsproblem. „Es gibt zu viel Forschung – nicht zu viele Studenten.“

Stefan Hornbostel vom IFQ wunderte sich dann auch, wie schwer sich die deutschen Geisteswissenschaftler mit der Einführung von Qualitätsstandards tun. Da die deutsche Geisteswissenschaft seit dem 19. Jahrhundert als eigene Disziplin mit den Naturwissenschaften auf Augenhöhe stehen will, müsste sie auch in der Lage sein ihre eigenen Bewertungskriterien zu entwickeln. Letztendlich würden ansonsten in absehbarer Zeit Evaluationsstandards auf europäischer Ebene definiert.

Fazit der Veranstaltung: Die Setzung von Qualtiätsstandards wird wohl stattfinden. Es stelle sich nur die Frage, inwieweit die Geisteswissenschaftler diese mit entwickeln werden. Friedmar Tielker

Friedmar Tielker

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