Sport: Exoten mit Stacheln
Seit neun Jahren lebt der Amerikaner Kyle Roe in Potsdam. Auf Baseball muss er nicht verzichten
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Kyle Roe staunte nicht schlecht, als ihn seine Schwiegermutter in spe erklärte, er solle ins Auto steigen, sie habe eine Überraschung für ihn. Hinter dem Neuen Palais setzte sie den damals 19-Jährigen auf dem Rasen des Universitätssportvereins (USV) ab, wo ein paar Leute Baseball spielten. „Sie wollte, dass ich mich wie zu Hause fühlte“, erinnert sich Roe, der kurz zuvor aus den USA nach Potsdam zu seiner Freundin gezogen war und in Brandenburg an der Havel ein Informatikstudim begonnen hatte. Baseball in Potsdam sollte ein Gegenmittel bei eventuellem Heimweh sein.
Letzteres gab es nicht: Inzwischen ist Roe mit seiner damaligen Freundin verheiratet und in Potsdam zu Hause – und die Potsdam Porcupines sind seit neun Jahren seine neue Baseball-Heimat. Die „Stachelschweine“ gehören zu den Exoten in der Potsdamer Sportlandschaft, in der Baseball nicht gerade zu der traditionsreichsten Sportart gehört. Erst 1996 gründete sich die Abteilung innerhalb des USV, sie zählt überschaubare 35 Mitglieder, sodass das Sommerfest der Porcupines am vergangenen Samstag fast ein Familientreffen war. Zwei befreundete Teams aus Berlin und Magdeburg waren zur einer Runde Softball gekommen – bei der etwas abgeschwächten Form des Baseballs wird mit einem größeren Ball gespielt, der von unten und nicht von oben geworfen wird.
In ihren Punktspielen wetteifern die Potsdamer indes nach den festen Regeln des Spiels, das seinen Ursprung in den USA hat und in Deutschland vor allem in der amerikanischen Besatzungszone einzog. Doch es dauerte bis 1984, ehe sich Baseball in Deutschland wirklich auch als Bundesliga-Sport etablierte. Die erste Liga ist für die Potsdam Porcupines allerdings kein Thema. Aktuell führen sie die Tabelle der Landesliga Berlin-Brandenburg an, in der insgesamt sechs Mannschaften spielen. „Die Play-off-Runde haben wir schon erreicht, Ziel ist der Wiederaufstieg in die Verbandsliga“, sagt Trainer Sven Dittmann. Der 36-Jährige ist seit 1998 bei den „Stachelschweinen“, die seit ihrer Gründung bei den Frauen viermal Meister in der Verbandsliga wurden, während die Männer viermal die Landesliga gewannen.
„Für mich ist Baseball eine der vielseitigsten Sportarten“, sagt Dittmann. Das Spiel, dessen Grundprinzip das Duell zwischen einem Werfer und Schläger ist, bei dem Letzterer versucht, den Ball ins Feld zu schlagen, und die gegnerische Mannschaft bemüht ist, den Ball zu fangen, verlange Ausdauer, Schnelligkeit, Athletik sowie eine variable Wurf- und Schlagtechnik. „Und es braucht ein hohes Maß an Konzentration“, so Dittmann. Denn im Laufe eines Spiels, das keine festgelegte Dauer hat, sondern über sieben sogenannte Innings gespielt wird und meist über zwei bis drei Stunden geht, variieren die Spieler ihre Würfe und Schläge. Auch die Positionen der Feldspieler ändern sich ständig. „Das macht das Spiel sehr strategisch“, so Dittmann. Es dauere mehrere Jahre für einen Pitcher (Schläger), um sich ein reichhaltiges Schlagrepertoire anzueignen und um zu erkennen, wie der Werfer agiert. „Das Auge eines Pitchers lernt im Laufe der Zeit enorm viel“, so Dittmann.
„Baseball lebt von der Statistik“, meint Kyle Roe, der seit seinem dritten Lebensjahr auf dem diamantförmigen Spielfeld steht. Wer in einem Spiel all die Daten seines Gegenübers abrufen und erkennen kann, wie ein Ball geworfen oder geschlagen wird und welcher Spieler wo steht, der ist im Vorteil. Daher meint der 28-Jährige auch: „Am anstrengendsten ist beim Baseball, konzentriert und psychisch stark zu bleiben.“
Verglichen mit seiner Baseball-Karriere an seiner Highschool in Kansas macht ihm das Baseballspielen mit den Porcupines mehr Spaß. „Weil es wesentlich entspannter ist“, wie er sagt. Während seiner Schulzeit trainierte er siebenmal pro Woche, während der Meisterschaft gab es in drei Monaten 60 Spiele. „Der Druck war ungemein hoch“, erinnert er sich. Hingegen sei das hiesige Baseballspiel mit den Porcupines in der Landes- und demnächst vielleicht in der Verbandsliga „sehr angenehm“.
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