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Von Peer Straube: Experimente mit der Sinus-Milieustudie

Vor der Realisierung einer „Gartenstadt Drewitz“ stehen Befragungen, Studien und Workshops en masse

Von Peer Straube

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Drewitz - Die Pläne sind ambitioniert. So ambitioniert, dass sie in der vergangenen Woche sogar einen Bundespreis gewonnen haben. In Silber, verliehen vom Bundesbauministerium. Drewitz, aktuell größtes Sorgenkind unter den Plattenbaugebieten, soll zu einer Gartenstadt umgewandelt werden.

300 Millionen Euro soll das insgesamt kosten, wann das Geld kommt und wer es bezahlt, weiß im Moment niemand. Auch nicht die Pro Potsdam, die gestern gemeinsam mit dem Sanierungsträger Stadtkontor und dem Verein Soziale Stadt eingeladen hatte, um die weitere Marschroute vorzustellen. Fakt ist: Bis aus der Betonwüste Konrad-Wolf-Allee einmal das verkehrsberuhigte, pittoreske Idyll mit Regenteichen, Baumhainen und begrünten Tramgleisen wird, wollen die Entscheidungsträger zunächst stapelweise Papier bedrucken lassen. Von „Sinus-Milieustudien“, sprach etwa Pro Potsdam-Chef Horst Müller-Zinsius, Stadtspuren-Sprecher Carsten Hagenau erwärmte sich für Workshops in „Szenario-Technik“. Hinter den nicht eben griffig klingenden Namen verbirgt sich indes vor allem der noble Wunsch, möglichst viele Anwohner auf die lange Reise zur Umgestaltung des Stadtteils mitzunehmen. Und die hat tatsächlich „radikale Dimensionen“, wie es Stadtkontor-Chef Rainer Baatz ausdrückte. „Eine so umfassende Veränderung“, sagte er beeindruckt, „hat es in einem Stadtteil in Potsdam bislang nicht gegeben.“ Neben der bereits erwähnten Metamorphose der Konrad-Wolf-Allee und der Verbindung von Herta-Thiele- und Guido-Seeber- Weg zur zweiten grünen Achse sollen perspektivisch 900 neue Wohnungen entstehen, am Rand von Drewitz und durch teilweise Verdichtung sowie Aufstockung vorhandener Plattenbauten.

Fünf Schritte stellt sich Müller-Zinsius für die nächsten Monate vor. An erster Stelle steht eine alle paar Jahre aktualisierte, stadtweite Mieterbefragung durch die Pro Potsdam, aus der das Unternehmen Erkenntnisse über Wünsche und Zufriedenheit seiner Klientel gewinnen will – aufgeschlüsselt nach Stadtteilen. Danach wird die bereits erwähnte Sinus-Milieustudie in Auftrag gegeben. Dieses Papier soll Aufschluss über die soziale Struktur der Mieter geben. Parallel will das Stadtkontor seine acht Jahre alte Sozialstudie neu auflegen. Was dann noch an Infos fehlt, will der Verein Soziale Stadt durch Befragungen im Wohngebiet ergänzen. Gezielt sollen Drewitz-Bewohner angesprochen werden, ob sie sich bei der Umgestaltung des Viertels engagieren wollen. Im inzwischen fünften Sommercamp der Fachhochschule wollen sich Studenten aus New York, dem russischen Rostow und der FH selbst ebenfalls mit Drewitzer Perspektiven widmen. Im Oktober schließlich sollen zwei Workshops aus den gesammelten Daten zwei bis drei Szenarien für die Zukunft des Stadtteils schmieden, eben jene „Szenario“-Workshops. Den vorläufigen Schlusspunkt setzt im November eine Stadtteilkonferenz, auf der Anwohner die Vorschläge diskutieren sollen. Breiten Raum nimmt in den Gartenstadt-Plänen auch die Umwandlung der Priesterweg-Schule zur Stadtteilschule als Treffpunkt der Bürger aller Generationen ein.

Das 121 Seiten starke Gartenstadt- Konzept übergab Daniel Beermann, Chef des Vereins Soziale Stadt, gestern an Baatz. Der versprach, aus dem Programm Soziale Stadt bis 2012 Fördermittel für das Großvorhaben Gartenstadt locker zu machen. Reichen wird das nicht. Man müsse, schoss Baatz einen kleinen Pfeil Richtung Rathaus, die Verwaltung „irgendwie mitnehmen“. Wann Drewitz nun à la Grafik aufblüht, wissen die Götter. „Wenn es ein Jahr länger dauert“, so Müller-Zinsius, „dauert es eben ein Jahr länger.

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