zum Hauptinhalt

Landeshauptstadt: Explosive Stimmung bei Maltry

Kündigung wegen Betriebsratsgründung? Mitarbeiterinnen der Firma demonstrierten gestern in Babelsberg

Stand:

Kündigung wegen Betriebsratsgründung? Mitarbeiterinnen der Firma demonstrierten gestern in Babelsberg Von Henner Mallwitz Harte Töne aus dem Megaphon, zahlreiche Transparente und heftige Wortgefechte: Die Stimmung vor dem Fachgeschäft für Rehabilitation der Firma Maltry an der Großbeerenstraße war am gestrigen frühen Nachmittag explosiv. Firmeninhaber Ulrich Maltry hatte zehn Mitarbeiterinnen die Kündigung ausgesprochen – an sich kein Grund für eine Demonstration. Im Fall des Babelsberger Unternehmens liegt die Sache offensichtlich anders, denn von der drohenden Arbeitslosigkeit sollen nur jene Kolleginnen betroffen sein, die kürzlich einen Aufruf zur Gründung eines Betriebsrates unterschrieben haben. Sie fordern zudem das angeblich ausstehende November-Gehalt. Am 29. Oktober erschien der Aufruf zur Betriebsratsgründung am Schwarzen Brett – nur einen Tag später sollen die Kolleginnen die Mitteilung zur „sofortigen Freistellung“ erhalten haben, eingeschlossen das Hausverbot in der größten Filiale des Reha-Fachbetriebes in Neuseddin. „Der Betriebsrat sollte eine Anlaufstelle gegenüber dem Arbeitgeber sein“, begründet Mitinitiatorin Stefanie Seiler das Gründungsanliegen. „Denn gerade dieser Betrieb hat eine solche dringend nötig. Drei der gekündigten Mitarbeiterinnen hatten ihre Unterschrift bereits auf die Liste gesetzt, die anderen zählen aber ebenfalls zu den Initiatoren.“ Warum ein Betriebsrat bei Maltry? „In unserem Betrieb herrscht Willkür, und da spreche ich im Namen vieler“, sagt Stefanie Seiler. „Umsetzungen werden ohne Nennung von Gründen vorgenommen, wer nicht absolut mit dem Strom schwimmt, wird gemobbt. Die Kollegen werden ständig kontrolliert und ungleich behandelt.“ Starker Tobak, den gestern jedoch auch andere der anwesenden Mitarbeiterinnen bestätigten. „Ich habe Zwillinge im Alter von viereinhalb Jahren“, erzählte Sabine Neumann. „Die Kita macht um 17 Uhr zu, ich wurde trotzdem gezwungen, bis um sechs zu arbeiten.“ So musste die 43-Jährige die Kinder für eine Stunde mit zur Arbeit ins Büro nehmen. Sie ist eine der Gekündigten. Die von Rechtsanwalt Ernst Lattwin angeführte Demonstration hatte Erfolg: Unter dem Druck von den Politikerinnen Monika Keilholz (SPD) und Anita Tack (PDS), betroffenen Mitarbeiterinnen und den Medien war Ulrich Maltry, Chef von 120 Angestellten, dann doch zu einem Statement bereit. „Die Kündigungen sind rein betriebsbedingt und stehen in keinem Zusammenhang mit der Wahl des Betriebsrates. Was in meiner Macht als Inhaber steht, werde ich selbstverständlich tun“, versicherte er. „Ich habe nie jemanden behindert oder ihm gar gedroht, und auch der Lohn wurde gezahlt.“ Die Kündigungen seien am 30. Oktober ausgesprochen worden, der Aufruf zur Betriebsratsgründung hingegen datiere erst vom 27. November. Laut Lattwin wurde dieser jedoch bereits vor den Kündigungen ausgehängt und sei sofort verschwunden. Maltry spricht von „populistischer Meinungsmache“. „Wir müssen uns nach dem geforderten Qualitätsmanagement der Krankenkassen richten. Die Firma ist zwar sicher am Markt, muss sich aber anpassen.“ Alle Umsetzungen seien „hinlänglich diskutiert“ worden, die ganze Aufregung nahezu „unverständlich“. Vor dem Potsdamer Arbeitsgericht fanden am Vormittag indes gleich mehrere Kündigungsschutzverhandlungen von Maltry-Mitarbeitern statt. Die Güteverhandlungen scheiterten jedoch – die nächsten sind für März angesetzt worden. Am kommenden Freitag soll in der Firma die lang geplante Weihnachtsfeier stattfinden. Für die engagierten Frauen ein willkommener Anlass, drei Kolleginnen für den Wahlvorstand der Betriebsratswahl zu nominieren. „Viele Mitarbeiterinnen haben ihre Unterstützung schon zugesichert“, sagt Stefanie Seiler. „Sie haben aber Angst.“ Hilfe wurde den Betroffenen bereits von seiten der Politik zugesichert. „Demokratische Mittel wie die Gründung eines Betriebsrates dürfen nicht außer Kraft gesetzt werden“, sagte Monika Keilholz und sprach sich ebenso wie Anita Tack (PDS) für die Gründung eines Betriebsrates aus.

Henner Mallwitz

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })