Homepage: Exzellenz sieht anders aus
Potsdamer Universitätsbibliotheken können gegenwärtig nicht einmal die Grundversorgung abdecken
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Zeitschriftenabteilung der Universitätsbibliothek Golm. Der Blick fällt auf hohe Regale, von denen etwa ein Drittel leer steht. Weiter hinten liegen Stapel alter, ausländischer Tageszeitungen. An einem der Computer sitzt Dennis, der hier Deutsch und Politik auf Lehramt studiert. Er sucht über die Online-Kataloge der Berliner Bibliotheken nach Fachbüchern. Bücher, die er in Golm und den anderen Potsdamer Unibibliotheken nicht finden kann. Später am Tag wird der Potsdamer Student deswegen noch nach Berlin fahren müssen.
Zusätzlich kostet die Fernleihe der Potsdamer Unibibliothek seit diesem Jahr 1,50 Euro pro Buch. „Im Jahr“, schätzt Dennis, „können so mit den Kopierkosten für die Kursordner schon um die hundertfünfzig Euro zusätzlich zusammen kommen.“ Doch daran hat er sich gewöhnt. Es ärgert ihn vielmehr der enorme Zeitaufwand, den er für das Beschaffen der Bücher und das Kopieren von Seminarmaterialien aufbringen muss. Dass Potsdamer Studierende auf der Suche nach Grundlagenliteratur nach Berlin ausweichen müssen, ist heute in vielen Fächern nicht die Ausnahme, sondern die Regel. Rund acht Stunden im Monat verbringen sie laut einer Studie in Berliner Bibliotheken, die Fahrzeit noch nicht einkalkuliert.
Dennis’ Fall entspricht dem Studienalltag in vielen Fächern der Uni Potsdam. Gravierend ist der Mangel an grundlegenden Fachbüchern, Fachzeitschriften und Arbeitsplätzen für den Großteil der Fächer in den Potsdamer Unibibliotheken. Längst sind nicht mehr nur die literaturintensiven Geisteswissenschaften betroffen. Auch die Wirtschafts- und Sozialwissenschaften sind beim diesjährigen deutschlandweiten CHE-Hochschulranking im Punkt der Ausstattung im Schlussfeld gelandet. Ob BWL, VWL, Jura, Soziologie oder Politologie, in keinem der 2005 erhobenen Studiengänge wurde die Bibliotheksausstattung als ausreichend bewertet. Die Bewertung der Lehrenden und der Lehre fiel zwar meist besser aus. Manch einer fragt sich heute jedoch wie lange noch.
Ulrike Michalowsky, Leiterin der Potsdamer Universitätsbibliothek, ist sich der schwierigen Lage bewusst. „Wir können im Moment leider nicht einmal die Grundversorgung der Bibliotheken gewährleisten.“ Seit drei Jahren spitze sich die Lage zu. In diesem Sommer sei die finanzielle Situation der Bibliothek schließlich so schlecht gewesen, dass die Fakultäten aus ihren ohnehin knappen Etats einen Solidaritätsbeitrag von 350 000 Euro zusammenbringen mussten. Nur diesem Umstand sei es zu verdanken, dass im Wintersemester überhaupt neue Titel angeschafft werden konnten.
An Exzellenz, dem erklärten Ziel brandenburgischer Bildungspolitik, ist unter solchen Bedingungen aus Sicht vieler Dozenten nicht mehr zu denken. Vor zwei Jahren kam Ulrike Michalowsky von der Unibibliothek Lüneburg nach Potsdam. Heute sitzt sie in ihrem Büro am Neuen Palais und wirkt angespannt. „Für die absolute Grundversorgung der Bibliotheken haben wir einen rechnerischen Bedarf von etwa zwei Millionen Euro“, sagt sie. Für dieses Jahr habe man allerdings erst etwa 1,6 Millionen Euro zusammen. Sie hofft, dass noch einige Projektmittel dazu kommen. Diese Gelder würden heute rund 40 Prozent des Bibliotheksetats ausmachen. Die Unterfinanzierung ist dabei nur die eine Seite des Problems. Schwerer wiege, dass die für Bibliotheken so wichtige Planungssicherheit fehlt, denn die Projektmittelgelder werden oft erst spät im laufenden Jahr bewilligt. „Eine kontinuierliche Planung ist dadurch kaum möglich“, sagt die Bibliotheksleiterin.
Bernhard Kroener, der Dekan der Philosophischen Fakultät, stimmt ihr in diesem Punkt zu. „Wichtige Fachzeitschriften und Magazine können aus Risikogründen nicht mehr bestellt werden.“ Für solche langfristigen Verträge brauche man am Anfang des Jahres die Gewissheit, dass man sie am Ende auch bezahlen könne. Die Ausstattung der Bibliotheken schätzt er als „nicht konkurrenzfähig“ ein. Den Hauptgrund für diesen Notstand sieht der Historiker im Wegfall der vom Bund getragenen Büchergrundstockförderung vor drei Jahren. „Das Land hat danach nicht auf eine ausreichende Weiterfinanzierung geachtet“ sagt er. Der globale Universitätshaushalt wurde nicht entsprechend aufgestockt, was die Universität heute und in den nächsten Jahren hart treffe. „Wenn hier in den Geisteswissenschaften Exzellenzcluster entstehen sollen, dann muss dringend etwas passieren.“ Eine Umverteilung der vorhandenen Mittel innerhalb der Universität hält der Dekan kaum für möglich. Die Unterfinanzierung der Universität sei insgesamt so eminent, dass nur neue Löcher in anderen Bereichen entstehen würden.
Vom Einscannen grundlegender Texte für die Lehre, wie viele Dozenten es praktizieren, hält Bernhard Kroener wenig. „Diese Discountversion des wissenschaftlichen Angebots kann nur eine Notmaßnahme sein.“ Eine gut ausgestattete Universitätsbibliothek könnten solche Maßnahmen nicht ersetzen. „Gerade im Wettkampf mit den Berliner Universitäten müssen wir sehen, dass wir den Anschluss nicht verlieren“, mahnt er. Das Ausrichten des Bibliotheks- und gesamten Universitätshaushalts am realen Bedarf wäre ein erster Schritt in diese Richtung.
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