Aus dem GERICHTSSAAL: Fahnenflucht aus heftigem Liebeskummer
Gericht: Der Angeklagte ist kein Krimineller
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Erst war die Freundin weg. Dann blieb sein Platz in der Kaserne leer. Die Feldjäger wurden losgeschickt, Alexander A.* (22) in seiner Heimatstadt Berlin aufzuspüren. Gestern wurde er vom Amtsgericht wegen eigenmächtiger Abwesenheit von der Truppe zu 500 Euro Geldstrafe verurteilt. Und damit kam der gelernte Maurer glimpflich davon. Der Staatsanwalt hatte drei Monate Freiheitsstrafe beantragt, wenn auch auf Bewährung. Paragraf 15 des Wehrstrafgesetzes sieht als Höchststrafe immerhin drei Jahre Haft vor.
„Ich habe wirklich nichts gegen die Bundeswehr“, beteuerte der junge Mann während des Prozesses. „Eigentlich hatte ich sogar daran gedacht, mich länger zu verpflichten.“ Schlecht während seines Einsatzes beim 3. Stabsfernmeldebataillon des Einsatzführungskommandos in der Kaiser-Friedrich-Straße sei nur die knapp bemessene Zeit gewesen, so Alexander A. „Ich konnte überhaupt keine sozialen Kontakte mehr pflegen.“ Als sich die Freundin vernachlässigt fühlte, ihm gar den Laufpass gab, seien in ihm – dem Scheidungskind – die ärztlich attestierten Verlustängste so groß geworden, dass er sie nicht mehr beherrschen konnte. Deshalb habe er der Truppe am 18. Oktober 2007 den Rücken gekehrt, ohne groß nachzudenken, sich in seiner Wohnung eingeigelt, gar einen Selbstmord-Versuch unternommen. Da Alexander A. auch den Briefkasten nicht mehr leerte, ahnte er nichts von der Aufforderung seines Vorgesetzten, umgehend in der Kaserne zu erscheinen. „Die Feldjäger haben mich dann ins Bundeswehrkrankenhaus gebracht. Nach zwei Wochen Psychiatrie wurde ich wieder in den Dienst entlassen, brauchte ihn praktisch aber nicht mehr anzutreten. Später sei er allerdings aufgefordert worden, die 21 Fehltage nachzudienen.
„Auf die Idee, vorher psychologische Hilfe in Anspruch zu nehmen, sind Sie nicht gekommen?“, wunderte sich Amtsrichterin Waltraud Heep. „Ich weiß, dass ich ärztliche Hilfe gebraucht hätte. Aber ich glaube, es gibt keinen geeigneten Psychologen für mich“, mutmaßte Alexander A. „Was machen Sie seit Ihrer Entlassung?“, hakte die Vorsitzende nach. „Immerhin sind Sie seit November 2007 arbeitslos.“ Der Fahnenflüchtige beteuerte, sich um Beschäftigung in seinem erlernten Beruf zu bemühen, was bisher leider nicht klappte. „Aber ich habe ein Jahr als Haustechniker gejobbt.“
„Der Angeklagte ist kein Krimineller. Er hat in einer bestimmten Situation versagt. Mit dem Verlust einer Freundin fertig zu werden, gehört zum Erwachsenwerden dazu. Seine Verzweiflung in dieser Situation ist aber strafmildernd zu werten“, begründete die Richterin das recht milde Urteil. (*Name von der Redaktion geändert.) Hoga
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