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Im Stadion zu Hause: Axel Richter als Lauf-Obmann bei den 12. IAAF Leichtathletik-Weltmeisterschaften Berlin 2009 im Olympiastadion. Nach vielen Jahren als Leichtahtletik-Cheftrainer in Potsdam geht er nun in Ruhestand.

© Thilo Rückeis

Sport: Fahnenträger im verwaisten Stadion

Nach 46 Jahren als Athlet und Cheftrainer am Luftschiffhafen überquert Axel Richter die Ziellinie

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Wenn man das Leben mit einem Maßband misst, das vielleicht 85 Zentimeter lang ist, dann markiert Axel Richter seine aktuelle Lebensstation bereits am Beginn des oberen Endes. „Da ist nicht mehr ganz so viel“, sagt er gelassen. Heute wird er 65, weshalb er verkündet: „Jetzt ist Zeit für andere Dinge.“ Denn bislang dominierte in Richters Leben vor allem eines: Sport. Erst als Athlet, dann als Trainer und zuletzt als Leichtathletik-Chefcoach am Olympiastützpunkt Potsdam buchstabierte Richter Jahrzehnte seinen Tagesablauf mit S-P-O-R-T.

Das Datum, als der Luftschiffhafen zu seiner Heimstatt wurde, hat er exakt im Kopf: „Am 4. Mai 1965.“ Da kam der gebürtige Pritzwalker als Zehnkämpfer zum damaligen ASK Vorwärts Potsdam. In der Königsdisziplin der Leichtathletik brachte er es auf stattliche 7 930 Punkte, was ihn zu einem der besten Mehrkämpfer der Republik machte. Doch es gab noch Bessere, „so dass ich nie einen sportlichen Höhepunkt wie eine Weltmeisterschaft oder olympische Spiele erlebt habe“, sagt er. Doch dass die Konkurrenz im eigenen Land so groß war und es allein in seiner Potsdamer Trainingsgruppe ein gutes Dutzend Zehnkämpfer gab, ist ein Qualitätsmerkmal, das Richter später während seiner Trainerlaufbahn als besonders wertvoll zu schätzen wusste.

Nach seiner eigenen sportlichen Laufbahn und einem Sportstudium betreute Richter bis 1976 seine erste Trainingsgruppe beim Armeesportklub Vorwärts. Für diesen avancierte er zum Nachwuchssportchef, war verantwortlich für die Talentsichtung und -förderung, ehe er schließlich zum Cheftrainer des Klubs aufstieg. Mit der Wende begann der Ausverkauf des DDR-Spitzensports - auch in Potsdam: Die Kaderathleten des staatlich geförderten Systems fanden in westdeutschen Vereine gute Sponsoren und verlockende Verträge. Zurückblieben verwaiste Sportstätten und Internate sowie der Makel des Elitären und des – über Gebühr – Subventionierten, der dem DDR-Leistungssport angeheftet wurde. Leistungssportliche Strukturen zu fördern, wie sie bekannt und erfolgreich waren, kam für die Reformpolitiker nach der Wende nicht unbedingt in Frage.

Axel Richter blieb in Potsdam. Als er 1993 „das Glück hatte“, für sieben Monate einen Vertrag als Stützpunkttrainer zu bekommen, war das der Beginn einer mühsamen Aufbauarbeit. Gerade mal zwei Landestrainer agierten noch am Luftschiffhafen, wo Jahrzehnte lang Welt-, Europameister und Olympiasieger geformt wurden. Dass heute in Potsdam 13 hauptamtliche Leichtathletiktrainer arbeiten, Geher- und Marathonbundestrainer Ronald Weigel und Wurf-Bundestrainer Jürgen Schult dem Olympiastützpunkt ein spezielles Profil geben, ist auch Richters Verdienst. Der Ex-Zehnkämpfer hat die Fahne des Spitzensports in Potsdam über die Jahre hochgehalten, wusste in Entscheidungsgremien die richtigen Ansprechpartner und hatte vor allem Strukturen und ein Förderkonzept im Kopf, die inzwischen auch vom Deutschen Leichtathletikverband mitgetragen werden.

Heute sagt Richter stolz: „Nirgendwo anders in Deutschland gibt es so gute Bedingungen wie in Potsdam. Das registrieren auch zunehmend deutsche Spitzenathleten wie Speerwerferin Sarah Mayer oder Langstreckenläufer André Pollmächer, die nach Potsdam gezogen sind, um hier zu trainieren.

„Talente zu finden ist schwieriger geworden“, weiß auch Axel Richter, der während seiner Trainerzeit tausende junge Sportlicher bei Sichtungen gesehen hat. „Aber es gibt sie“, ist er überzeugt. Potsdam ist einer von wenigen deutschen Stützpunkten, an denen es wieder regelmäßige Nachwuchssichtungen gibt. „Früher kamen zu einer Sichtung 300 Kinder, heute sind es 100“, verdeutlicht Richter einen Unterschied. „Doch die Athleten sind das Wichtigste. Ohne die geht es nicht“, sagt er. Daher war für ihn immer - egal in welcher Trainerposition er war - der Kontakt zu den Sportlern das A und O. „Man muss wissen, was ein Athlet denkt, was er spricht und fühlt. Das geht nicht vom Schreibtisch aus.“

Dass er diesen und das Feld nun räumt, „wird nach 46 Jahren im Luftschiffhafen Zeit“, befindet er. Die Nachfolge auf dem Cheftrainer-Posten übernimmt zum 1. November Kai-Uwe Meyer. Der ehemalige Sprinter arbeitete mehrere Jahre im Potsdamer Jugendclub „Offline“ und wechselt nun von der Geschäftsstelle des Berliner Leichtathletikverbandes in den Luftschiffhafen. „Ein sehr genauer Arbeiter“, lobt Richter den neuen Mann. Und er selbst „Ich mach nichts mehr“, sagt er. Jetzt habe er Zeit für Enkel, Garten und Reisen. „Brasilien“, sinniert er. Und Sport soll es für ihn nur noch im Fitnessstudio geben.

Gerd Piffath

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