Landeshauptstadt: Fahren auf Lochstreifen
In Potsdams Straßen wurden 25 Millionen Euro zu wenig investiert. Jetzt soll es mehr Geld geben
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Viele Jahre lang wurden Potsdams Straßen „auf Verschleiß gefahren“, sagt Martina Woiwode. Das jährliche Budget für den Straßenunterhalt müsste eigentlich bei 5,8 Millionen Euro liegen, erklärt Potsdams Verkehrsplanerin. Die Realität sieht anders aus: Seit 1998 war der Topf nie größer als 1,4 Millionen Euro, seit 2001 lag er über Jahre hinweg sogar immer unter einer Million Euro – und das, obwohl Potsdam mit den Eingemeindungen der nördlichen Ortsteile im Jahr 2003 rund 1,6 Millionen Quadratmeter Verkehrsflächen neu hinzubekam.
Bereits 2008 hatte die Bauverwaltung ein umfangreiches Papier erarbeitet, das ein erschreckendes Bild des Straßenzustands zeichnete: Demnach war vor fünf Jahren nur ein Drittel des 630 Kilometer langen Straßennetzes der Stadt in einem Zustand, der keine Erhaltungsmaßnahmen erforderlich machte. Für fast die Hälfte der Fahrbahnflächen wurde bereits damals prognostiziert, dass zumindest langfristig etwas getan werden muss. Für die restlichen 17 Prozent sah die Bauverwaltung entweder den Bedarf einer sofortigen oder zumindest mittelfristigen Instandsetzung – und das, obwohl seit der Wende bereits zum damaligen Zeitpunkt rund 215 Millionen Euro in Potsdams Straßennetz investiert worden ist.
„Seitdem ist der Zustand der Straßen aber eher noch schlimmer geworden“, sagt Woiwode. Inzwischen hat sich der Instandsetzungsrückstau auf rund 25 Millionen Euro aufsummiert. Eine Instandsetzung fand praktisch nicht mehr statt, seit Jahren werde nur noch Geld für die Gefahrenabwehr ausgegeben – sprich: den berühmten Asphaltklecks auf Gehweg oder Straße, der verhindern soll, dass sich jemand den Fuß bricht oder die Felgen seiner Autoräder. Pflasterstraßen verkommen zum Beispiel schon deshalb, weil die Fugen nicht regelmäßig wieder mit Sand aufgefüllt werden können und sich daher die Steine lösen.
Aus einer schon gekürzten Prioritätenliste geht hervor, auf welchen Straßen die Not am größten ist: Die noch aus DDR-Zeiten stammende und aus Betonplatten gebaute Straße An der Alten Zauche am Schlaatz ist nur noch eine Buckelpiste, Auf dem Kiewitt bröselt die Fahrbahn ebenso weg wie in der Dortustraße, der Breiten Straße, der Forststraße, der Heinrich-Mann-Allee, der Straße zum Kirchsteigfeld, der Maulbeerallee, im Horstweg oder der Rudolf-Breitscheid- Straße. 22 Brennpunkte sind dort insgesamt aufgelistet. Noch nicht eingerechnet sind die zahllosen Gehwegsschäden und die maroden Pflasterstraßen in den Wohngebieten wie der Brandenburger, der Nauener und der Berliner Vorstadt, in Babelsberg und Klein Glienicke. Unhaltbar ist auch der Zustand vieler Anliegerstraßen, nicht zuletzt in Babelsberg, Am Stern und in den neuen Ortsteilen, etwa in Groß Glienicke.
Viel Schaden haben auch die letzten Winter angerichtet. Harte Frostperioden rissen nicht nur Löcher in den Asphalt, sondern auch in die Stadtkasse. Die Kosten für die Beseitigung der Frost- oder im Sommer auch der Hitzeschäden belaufen sich jährlich auf bis zu 600 000 Euro.
Zwar ist der diesjährige Winter bislang nicht überhart gewesen, doch auch jetzt hat die Witterung schon ihre Spuren hinterlassen. Auf der Nedlitzer Straße, der Breiten Straße und der Maulbeerallee hat die Stadtverwaltung Frostschäden ausgemacht, ebenso auf der Großbeerenstraße, der Neuendorfer Straße, der Gutenbergstraße und der Pappelallee.
Letztere darf als Paradebeispiel dafür gelten, warum das Straßennetz der Stadt immer löchriger wird. Vor über zehn Jahren grundsaniert, wurde seitdem kein Geld mehr in die Pflege der Straße investiert. Als Folge bilden sich zuerst Risse, später folgen dann die Schlaglöcher – und der finanzielle Aufwand zur Behebung der Schäden wird immer größer. „Alle zehn bis 15 Jahre“, so Woiwode, „ist eigentlich eine neue Oberflächenbehandlung nötig.“ Ein weiterer Grund für den Niedergang: Um das marode DDR-Straßennetz nach der Wende möglichst schnell auf Vordermann zu bringen, wurden laut Woiwode über Jahre hinweg die Straßen im Wortsinn oberflächlich saniert. Viele Kopfsteinpflasterstraßen wurden in den 90er Jahren nicht von Grund auf erneuert, sondern bekamen lediglich eine neue Deckschicht aus Asphalt. Die hat nun aber ihre besten Zeiten hinter sich. An manchen Stellen bricht das alte Pflaster schon wieder durch, etwa in der Dortu-, in der Großbeeren- und in der Feuerbachstraße.
Nach Jahren des Darbens soll es nun aber besser werden. Bereits im letzten Jahr gab Potsdam zum ersten Mal mehr als zwei Millionen Euro für die Straßeninstandsetzung aus, in diesem Jahr sind laut Haushaltsentwurf 3,2 Millionen Euro vorgesehen, im kommenden Jahr gut 3,5 Millionen Euro. Ab 2014 will Baudezernent Matthias Klipp (Bündnisgrüne) den Straßenetat auf jährlich vier Millionen Euro aufstocken. Diese Summe reiche aus, um die gröbsten Schäden nach und nach zu beseitigen und das Straßennetz in einem ordentlichen Zustand zu halten, sagte Woiwode.
In diesem Jahr will die Stadt unter anderem die Nedlitzer Straße zwischen Fritz- von-der-Lancken- und Amundsenstraße instand setzen. Auch in der Feuerbachstraße, der Straße nach Sacrow, der Dortu- und der Feuerbachstraße soll es weniger holprig werden. In der Friedrich-Ebert-Straße beginnt wie berichtet im Frühjahr die Grundsanierung.
Der ADAC spendete bereits Beifall: Die geplante Mittelaufstockung sei ein „sehr positives Signal“, sagte Jörg Becker, Leiter Verkehr beim ADAC Berlin-Brandenburg, den PNN. Andere Kommunen könnten sich daran ein Beispiel nehmen.
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