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Homepage: Fahrräder im Slum sehr gefragt

Hilfe zur Selbsthilfe: FH-Projekt sammelt Fahrräder für Slum in Nairobi / Anlaufstelle für Jugendliche

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Hilfe zur Selbsthilfe: FH-Projekt sammelt Fahrräder für Slum in Nairobi / Anlaufstelle für Jugendliche Von Friedmar Tielker „Die Kinder in Kawrangware stehlen, schnüffeln und sehen wie sie durch den Tag kommen.“ Manja Hamm beschreibt die Situation junger Bewohner eines der größten Slums in Afrika. Sie ist eine von 21 Sozialpädagogikstudenten der Fachhochschule Potsdam, die sich intensiv für eine Fahrradwerkstatt als Selbsthilfe für diese Jugendlichen engagieren. Hierfür sammeln die Studenten Fahrräder, die samt Werkzeugteilen nach Nairobi in Kenia verschickt werden sollen. Den Jugendlichen im Slum Kawrangware soll außerdem eine Anlaufstelle geboten werden, wo sie betreut, beraten und beschäftigt werden. Und Fahrräder sind nicht zufällig gefragt in „Kawrangware“. Im größten Slum der kenianischen Hauptstadt Nairobi haben sie den Kleinbus als Hauptverkehrsmittel abgelöst. Die kenianische Regierung hat aufgrund der Unfallhäufigkeit der extrem überfüllten Kleinbusse die Fahrpreise unlängst erhöht. Nun bleibt den Einwohnern des Slums nur das Fahrrad als alternatives Transportmittel, wenn sie nicht laufen wollen. Und der Weg bis in die Innenstadt Nairobis ist weit. Allein der Slum „Kawrangware“ hat Schätzungen zu Folge etwa eine halbe Million Einwohner. In Potsdam arbeiten die Studenten in Kleingruppen zusammen. Eine der Gruppen kümmert sich um Sponsoring für das Projekt, eine um den Internetauftritt, eine andere um den Transport der Fahrräder. Eine weitere Gruppe organisiert eine Fotoausstellung im Waschhaus, wo Bilder der Slumbewohner vom Fotografen Matthias Steinbach gezeigt werden sollen. Dieser legte im Oktober 2003 auch den Grundstein für das Projekt. Der Fotograph war in Nairobi auf einem Sozialkongress und fuhr anschließend in den Slum „Kawrangware“, um einen Teil der Bilder für die Dokumentation des Kongresses zu schießen. Insgesamt arbeitete er sechs Wochen an dem Projekt. Dort traf er die einheimischen Sozialarbeiter Peter Ndirangu und Augustine Githaiga. Zurück in Potsdam stellt er seinen alten Studienkollegen, dem Professor der Potsdamer Fachhochschule Werner Steffan und dem ebendort Lehrbeauftragten Lutz Küken seine Idee vor, aus der Zusammenarbeit mit den kenianischen Sozialarbeitern ein Projekt für die Fachhochschule in Potsdam zu machen. Das Projekt war geboren. Es folgte ein weiterer dreiwöchiger Aufenthalt in Nairobis größtem Slum. Natürlich waren die Besuche des Slums für den weißen Fotografen nicht ungefährlich. Mehrmals kommt er in brenzlige Situationen. So schreibt der kenianische Sozialarbeiter Augustine Githaiga in einem Brief an die Potsdamer Studenten, wie er Matthias Steinbach mit einem ehemaligen „gefährlichen jugendlichen Schläger“ namens „King Babra“ bei ihren Streifzügen begleiten musste, um wenn nötig einschreiten zu können. So auch an einem Tag, an dem sich ein Mädchen aus dem Slum dem „Weißen“ aufdrängte sie für Sex zu kaufen. Als sie dann nach mehrfacher Ablehnung andere Jugendliche ruft, um seine Kamera zu rauben, greifen Augustine und „King Babra“ ein. Augustine Githaiga erzählt in seinem Brief wie die Kinder „extreme Verhaltensweisen zum Überleben“ herausbilden. Diese bewegten sich zwischen einfacher und schwerer Kriminalität und billiger Prostitution bis zu allen Formen des Kindesmissbrauchs. Um den Druck überhaupt aushalten zu können, schnüffeln sie Klebstoff und zerstören sich so ihre Lungen. Viele der Eltern sterben früh und hinterlassen ihre Kinder ohne Aufsicht. Die Schulen sind völlig überlastet, in einer Klasse sind in der Regel mehr als achtzig Schüler, hier gibt es kein Essen – kein Wunder, dass die Kinder sich von der „Straße“ mehr erhoffen. Die Fahrradwerkstatt ist eine Möglichkeit die Kinder und Jugendlichen zu beschäftigen, sie positiv zu beeinflussen und ihnen, so Augustine Githaiga, einen Codex an ethischen Regeln zu vermitteln – im Fall von „King Babra“ wie auch anderen ein Erfolg. Jetzt grenze es für ihn an Magie wie offen die Kinder und Jugendlichen geworden sind. Der Sozialarbeiter schreibt: „Sie erzählen mir wer von ihnen krank oder hungrig ist, wer verhaftet oder belästigt wurde, wer Schuhe oder Kleider braucht und wer mich nur ausnutzt.“ Im Keller der Potsdamer Fachhochschule stehen mittlerweile an die 200 Fahrräder, die von Potsdamer Bürgern für das Projekt „Habari Africa“ gespendet wurden. Die Studentin Manja Hamm erklärt den Anklang, der auch Geldspenden mit einschließt, durch die Größe des Projektes. Es sei überschaubar. „Der Vorteil ist hier, die Leute wissen, alles wandert eins zu eins nach Afrika, keine Verwaltung, keiner verdient daran.“ 300 Fahrräder sollen es insgesamt werden, erst letztes Wochenende lief in Potsdam eine Sammelaktion. Schließlich soll in diesem Sommer ein Container beladen und auf den Weg gebracht werden. Dieser wird dann von Hamburg über Mombasa nach Nairobi geschickt, wobei ganz und gar nicht klar ist wie lange die Reise der Räder dauern wird. Die Zollbestimmungen sind äußerst kompliziert, weiß Manja Hamm. Bei den Vorbereitungen gehe es auch darum die Gefahr zu minimieren zu viel Schmiergelder zahlen zu müssen. „Wenn alles glatt läuft, dann sind die Fahrräder in einem Monat unten, wenn nichts glatt läuft in einem halben Jahr!“ Die Studentin lächelt ironisch. Natürlich würde sie gerne mit der Projektgruppe die beiden Sozialarbeiter in „Kawrangware“ einmal besuchen. „Aber eine Horde von weißen Mädchen, die da durchzieht – das ist nicht so einfach.“ Weitere Informationen und die Nummer des Spendenkontos finden sich auf der Homepage des Projekts: www.habari-africa.de

Friedmar Tielker

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