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Landeshauptstadt: Fall Ermyas M.: Beweise schwinden

DNA-Spur auf Flaschenscherbe reicht nicht für Belastung des Angeklagten Thomas M.

Stand:

Die Staatsanwaltschaft gerät im Potsdamer Prozess zur Gewalttat gegen Ermyas M. immer stärker in die Defensive. Nachdem in den vergangenen Verhandlungstagen bereits die Zweifel wuchsen, dem Angeklagten Björn L. sei eine Beteiligung an dem Verbrechen nachzuweisen, erscheinen jetzt auch die Vorwürfe gegen den zweiten Beschuldigten, Thomas M., fragwürdig. Eine DNA-Spur, von der Staatsanwaltschaft als stärkstes Indiz für die Schuld von Thomas M. gewertet, verlor gestern durch die Aussage einer Sachverständigen des Landeskriminalamts an Beweiskraft.

Die Beamtin hatte eine Flaschenscherbe untersucht, die am Tatort in Potsdam gelegen hatte und auf der sich laut Anklage genetisches Material von Thomas M. und des Opfers Ermyas M. findet. Die „Mischspur“ auf der Scherbe könnte von bis zu fünf Personen verursacht worden sein, sagte die Sachverständige im Landgericht. Dass ein Teil der „zellulären Anhaftungen“ Thomas M. zuzuordnen ist, kommt für die Beamtin nur „in Betracht“. Nach Ansicht der Staatsanwaltschaft beweist die Scherbe, dass Thomas M. zum Zeitpunkt der Tat, in der Nacht zu Ostersonntag 2006, am Ort des Geschehens war. Die Sachverständige sprach aber von einer lediglich „minimalen Spur“. Die Beamtin wusste nicht einmal genau, „was ich da untersucht habe“. Die DNA-Spur war so winzig, dass sie weder als Blut, Haut oder anderes Teilchen des menschlichen Körpers identifiziert werden konnte. Außerdem lieferte die Polizei die Scherbe in einer Tüte mit anderen Resten von Bierflaschen ab, die am Tatort gefunden worden waren. Eine „Übertragung“ der DNA-Spur von einer Scherbe zur anderen sei nicht auszuschließen, sagte die Sachverständige.

Aus Sicht von Verteidiger Sven-Oliver Milke hat die Staatsanwaltschaft bislang nichts gegen Thomas M. in der Hand. Auch Opfer- und Nebenklageanwalt Thomas Zippel sagte, das DNA-Gutachten sei „keinesfalls ausreichend“ für eine Verurteilung des Mitangeklagten. Mit Blick auf den Hauptbeschuldigten Björn L. wollte Zippel keine Bewertung zum Verfahren abgeben. Dafür sei es noch zu früh. Unter anderem müsse noch das Gutachten eines Spracherkennungsexperten abgewartet werden. Björn L. soll laut Anklage auf dem Mailbox-Mitschnitt des Streits zwischen Opfer und Angreifern zu hören sein. Er wird aufgrund seiner hohen Fistelstimme seit seiner Kindheit „Pieps“ genannt. Bei einem früheren Verhandlungstag konnten Zeugen jedoch die hohe Stimme, die auf der Mailbox zu hören war, nicht als die des im April 2006 an einer Kehlkopfentzündung erkrankten Björn L. erkennen. Damit war ein wesentliches Indiz aus der Anklage gegen Björn L. blasser geworden.

In dem Verfahren müssen sich der 29 Jahre alte Björn L. wegen gefährlicher Körperverletzung und der 31-jährige Thomas M. wegen unterlassener Hilfeleistung verantworten. Beiden wird zudem Beleidigung vorgeworfen. Sie bestreiten jede Tatbeteiligung. Die Männer sollen am Ostersonntag 2006 an einer Haltestelle mit Ermyas M. in Streit geraten sein. Infolge der Auseinandersetzung soll L. dem gebürtigen Äthiopier einen heftigen Schlag ins Gesicht versetzt haben. Der Familienvater erlitt schwerste Kopfverletzungen. (mit ddp)

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