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Landeshauptstadt: Falsche Anlageberatung

Sparer haben vor Gericht meist gute Karten / Zentrale Datenbank unter www.unternehmensregister.de

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Die Erbschaft von rund 20 000 Euro war zwar nicht üppig. Beim Monatseinkommen von knapp 1000 Euro war sie aber nicht zu verachten. Die Erbin wollte das Geld in einen Bausparvertrag einzahlen. Nach „fachkundiger“ Beratung erwarb sie dagegen Anteile an einer Beteiligungsgesellschaft – und das ist im Vergleich zum Bausparvertrag ein hochspekulatives Geschäft.

Fälle wie diese beschäftigen die Gerichte regelmäßig. Anlageberater empfehlen unerfahrenen Kunden Anlagen, die nicht deren „Risikoprofil“ entsprechen. In dem Fall der offensichtlich falsch beratenen Erbin verurteilte das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt (Az.: 3 U 141/06) den Anlageberater der Kundin, das investierte Geld zu 80 Prozent zurückzahlen – einen vollen Schadenersatz lehnten die Richter mit der Begründung ab, die unerfahrene Kundin treffe ein erhebliches Mitverschulden. Denn sie habe das Fachchinesisch des Beraters nicht verstanden und trotzdem nicht nachgefragt.

Meist meint es die Rechtsprechung aber gut mit überforderten Anlegern. So urteilte der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe beispielsweise, zu einer „objektgerechten Beratung“ gehöre die Aufklärung über alle Umstände und Risiken, die für die Anlageentscheidung von Bedeutung sind. Ferner dürfe der Berater die in einem Prospekt korrekt dargestellten Risiken auch nicht verharmlosen, heißt es in der Entscheidung (Az.: III ZR 83/06). Dabei werde bei einer Verletzung der Beratungspflichten das Verschulden des Anlageberaters vermutet, so der BGH in einem weiteren Urteil (Az.: III ZR 44/06).

Noch konkreter formulierte es das OLG Nürnberg: Einem konservativen Anleger ohne Fachwissen dürfe der Berater nur solche Anlagen empfehlen, „bei denen alle Risiken weitgehend ausgeschlossen sind“ (Az.: 12 U 2131/97). Und ohnehin verlangen die Gerichte, dass sich jede Bank und jeder Anlageberater ein Bild vom Risikoprofil des Kunden macht. So haftet ein Anlageberater nach einem Urteil des OLG Frankfurt auch dann, wenn der Kunde zwar schon Erfahrungen mit konservativen Wertpapieren – wie deutschen Standardaktien oder Rentenfonds – hatte, ihm dann aber spekulative Auslandsanleihen empfohlen werden (Az.: 23 U 281/03).

Eine Haftung des Anlageberaters oder der Bank sieht das OLG Koblenz ferner bei der Vermittlung neuer Steuersparmodelle. Hier müsse selbst der erfahrene Anleger ungefragt über mögliche steuerrechtliche Risiken aufgeklärt werden (Az.: 6 U 150/06). Trotzdem ist die Beratungspflicht der Geldinstitute nicht uferlos. So urteilte das OLG Koblenz, dass eine Bank einen Kunden nicht mit Nachdruck von riskanten Geschäften abhalten muss (Az.: 12 U 1183/03). Und ein Anlageberater muss auch nicht alle kritischen Medienberichte zu einem Investment kennen. Eine Haftungspflicht besteht nur bei Unkenntnis von Veröffentlichungen in „herausragend wichtigen Publikationen der Wirtschaftswelt“, so das OLG Koblenz in einer weiteren Entscheidung (Az.: 6 U 1028/06).

Ebenso wenig müsse eine Bank ihren Kunden zur Pflege des Depots regelmäßig Anlageempfehlungen geben. Der Anleger könne die Bank daher nicht für verpatzte Chancen haftbar machen, so das Landgericht Zweibrücken in Rheinland-Pfalz (Az.: 1 O 101/04).

Wichtig ist für Sparer die Unterscheidung, ob es sich um einen offiziellen oder um einen „privaten Tipp“ von Bankmitarbeitern handelt – bei letzteren ist Vorsicht geboten. Denn führen diese angeblich todsicheren Tipps zu Verlusten, so haftet die Bank nach einem Urteil des OLG Frankfurt nicht (Az.: 24 U 51/06). Jüngst hat auch der Gesetzgeber – durch europarechtliche Vorgaben beeinflusst - den Verbraucherschutz bei der Geldanlageberatung verstärkt.

Mit der Umsetzung der EU-Richtlinie über Märkte für Finanzinstrumente (MiFID) sind wichtige Vorschriften zum Anlegerschutz erlassen worden. So bedürfen Anlageberater jetzt einer behördlichen Erlaubnis und unterliegen der Kontrolle der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) in Bonn.

Außerdem sind Anlageberater nunmehr gesetzlich verpflichtet, bevor sie Empfehlungen aussprechen, den Kunden einem „Geeignetheitstest“ zu unterziehen, der sich an den konkreten Anlagezielen zu orientieren hat. Außerdem müssen sie alle relevanten Kosten der Geldanlage offenlegen – einschließlich eigener Provisionen.

Ferner werden die Kunden in Kategorien mit unterschiedlichem Schutzniveau eingeteilt. So gilt für Privatkunden das höchste Schutzniveau mit umfassenden Beratungsdienstleistungen. Dagegen müssen bei professionellen Kunden beispielsweise Erfahrung, Sachverstand und Risikotragfähigkeit nicht geprüft werden. Zur Selbstinformation der Anleger soll eine weitere grundlegende Änderung beitragen.

So führt die Bundesanzeiger Verlagsgesellschaft im Auftrag des Bundesjustizministeriums unter www.unternehmensregister.de eine zentrale Datenbank, in der alle veröffentlichungspflichtigen Informationen über Unternehmen einsehbar sind. Dort lassen sich über Unternehmen, von denen Anteile angeboten werden, Details finden.

Allerdings bleibt der Schutz der Anleger bei fehlerhafter Kapitalmarktinformation durch Unternehmen weiter lückenhaft. Denn nach Auffassung des BGH (Az.: II ZR 153/05) muss bei fehlerhaften Ad-hoc-Mitteilungen der Anleger den Nachweis führen, dass eben diese fehlerhafte Information Ursache für seine Anlageentscheidung war. Und dieser Nachweis ist meist schwer zu erbringen. Paul Glauben

Paul Glauben

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