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Aus dem GERICHTSSAAL: Falsche Nationalität?

Originalpass-Beschaffung schwierig / Freispruch

Stand:

„Man kann nichts verlangen, was objektiv nicht erfüllt werden kann“, betont Amtsrichterin Constanze Rammoser-Bode und spricht Raoul R.* (29) vom Anklagevorwurf frei. Dieser lautete: Verstoß gegen das Ausländergesetz. Raoul R. lebt seit 1997 in Deutschland, derzeit in Potsdam. Er behauptet, im vom Bürgerkrieg heimgesuchten Sierra Leone geboren zu sein, stellte einen Asylantrag. Der wurde abgelehnt. Der Farbige erhielt eine Duldung. Sie ist noch bis zum 20. Juli dieses Jahres gültig. Aus Sicht der Ausländerbehörde stammt Raoul R. jedoch aus Nigeria, ist seit März 2004 zur Ausreise verpflichtet. Das Amt forderte den Mann bereits im Sommer 2009 auf, sich um die Erteilung eines gültigen Reisepasses zu kümmern. Aber Raoul R. soll den Kopf in den Sand stecken, nichts tun, um seine wahre Nationalität zu belegen. Die Ausländerbehörde erstattete schließlich Strafanzeige.

Vor Gericht schweigt der Angeklagte zur Sache. Doch er gibt ein paar Dinge über sich selbst preis. So will er in Sierra Leone ungefähr bis zu seinem 12. oder 13. Lebensjahr zur Schule gegangen sein. Eine Ausbildung absolvierte er nicht. „Man arbeitet, wenn man Arbeit bekommt. Ich stamme aus einer armen Familie, da geht es einfach nur darum, zu überleben“, übersetzt die Dolmetscherin.

Eine als Zeugin geladene Mitarbeiterin der Ausländerbehörde berichtet: „Als die Grenzschutzdirektion Koblenz Herrn R. Fragen zu seiner Stammeszugehörigkeit stellte, konnte er sie nicht beantworten. Er war unkooperativ, gab nur an, Hunger zu haben und müde zu sein. Wir gehen davon aus, dass es sich um einen Afrikaner nigerianischer Herkunft handeln könnte.“

Um eine Aufenthaltserlaubnis für Deutschland beantragen zu können, ist ein Original-Reisepass vonnöten. Den habe Raoul R. trotz mehrmaliger Aufforderung nicht vorgelegt, so die Behördenangestellte. „Wir wissen, dass sich die Passbeschaffung schwierig gestalten kann. Uns würden ja schon die Geburtsurkunde oder ein Taufschein reichen, die belegen, dass der Mann tatsächlich aus Sierra Leone stammt“, erklärt die Zeugin. „Die Duldung bedeutet lediglich die Aussetzung der Abschiebung.“ „Seit neuestem stellt die Botschaft von Sierra Leone in Berlin keine Reisepässe mehr aus“, warf die Verteidigerin von Raoul R. ein. „Und Pässe, die in Abwesenheit des Betreffenden in dessen Heimat ausgestellt wurden, werden in Deutschland nicht anerkannt.“

„Die Nationalität des Angeklagten konnte nicht zweifelsfrei bestimmt werden. Mangelnde Bereitschaft zu deren Klärung ist nicht strafbar“, stellt der Staatsanwalt klar. „Der Vorwurf der Anklage ist also nicht aufrechtzuerhalten.“ (*Name geändert.) Hoga

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