Von Erhart Hohenstein: Fama bläst Vuvuzela
Sie sollte Friedrichs Ruhm verbreiten / Eine Entdeckung am Neuen Palais
Stand:
Sanssouci - Es erinnert an ein südafrikanisches Fußballstadion: Vuvuzelas täuschend ähnlich sind die Instrumente, in die hoch oben am Neuen Palais vier barbusige Damen stoßen. Bei ihnen handelt sich allerdings nicht um Fußballfans, sondern um Verkörperungen der altrömischen Fama (griechisch Pheme), einer mythischen Gestalt. Sie verbreitet Nachrichten und Gerüchte, die den Ruf eines Menschen schädigen, aber auch aufbauen können. Damit die Mitteilungen nicht untergehen, ist die Fama mit einem weithin hörbaren Blasinstrument ausgerüstet, mit dem sie jegliche Neuigkeit ausposaunt Nach allen Richtungen hält sie Ausschau, und das tönende Erz verstärkt jeden von fernher kommenden Laut um das Vielfache, schreibt dazu der altrömische Dichter Ovid. Sein Kollege Vergil nennt sie das schnellste aller Übel. Sie habe tausende Augen und Ohren, unaufhörlich schwatzende Mäuler und Zungen; nie schlafe sie ganz, sondern habe immer ein Auge und ein Ohr offen, um ja nichts zu versäumen. Ovid billigt ihr jedoch zu, dass sie Botin von Wahrheit und Lüge zugleich ist, also auch positive Nachrichten verbreitet, die den Ruhm des Betroffenen vermehren.
Dazu hatten die vier Grazien, zwei auf der Haupt-, zwei auf der Gartenseite des Mittelteil des Schlosses unterhalb des Dreiecksfrieses angebracht, Mittwochnacht nach dem Sieg der deutschen Fußball-Nationalmannschaft Gelegenheit. Vuvuzelas nutzen sie dafür nicht, denn das durch die Weltmeisterschaften bekannt gewordene Lärminstrument kam erst nach 1990 in Südafrika auf den Markt. Vielmehr haben im 18. Jahrhundert die Bildhauer, wahrscheinlich die Gebrüder Räntz, ihnen langgezogene Fanfaren in die Hand gegeben, die wohl antike Naturtrompeten darstellen sollen.
Aber warum hat der Alte Fritz überhaupt die Fama als Dekoration für das größte seiner Schlösser gewählt, und das noch an so auffälliger Stelle? Er sah sie nicht als Gerüchtemacherin. Sie sollte vielmehr die Kunde von seinem Kriegsruhm und seinem seiner Ansicht nach gerechten Regime verbreiten.
Erhart Hohenstein
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: