ATLAS: Farbe statt Mut
Der Künstler Kiddy Citny verkauft Bilder und lebt davon. Der Einträglichkeit dienlich ist dabei freilich ein handfester Skandal.
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Der Künstler Kiddy Citny verkauft Bilder und lebt davon. Der Einträglichkeit dienlich ist dabei freilich ein handfester Skandal. Im Buchhandel gehört das zum Einmaleins des Marketings, kein Bestseller ohne Skandal. Im Kunsthandel funktioniert das auch gut. Nun sind – und da sind wohl alle froh – die großen Zeiten des Mauermalers Kiddy Citny vorbei. Die Mauer ist gefallen und das vor über 20 Jahren. Aber in den 1980ern war das eine tolle Sache. Damals malte der junge Künstler arschfrech und nicht ohne Risiko die Westseite der Berliner Mauer bunt an und bewies somit der Welt, wo Freiheit und Individualität zu Hause sind und wo nicht. Doch jetzt düpiert der Künstler nicht die DDR, sondern deren Opfer. Jetzt bringt er sich und seine Bilder auf Kosten derjenigen ins Gespräch, die an die Maueropfer erinnern wollen. Das ist unfair und übereitel, die Aktion am Samstag, als er die Rückseite der Mauergedenkstätte am Griebnitzsee bemalte, kostete keinen Mut, sondern nur Farbe. Die Stadt Potsdam sollte es nicht zu dem wohlkalkulierten Skandal kommen lassen und Citnys Herzköpfe selbst beseitigen. Das ist Sache der DDR-Bürgerrechtler, die sich für den Mauerfall einsetzten. Sie haben die Hoheit über die Mauer errungen; nun sollten sie sich die Hoheit über die Mauerreste nicht einfach so wegnehmen lassen.
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