zum Hauptinhalt
Zum Gaststpiel am Münchner Landgericht. Jörn Lassan vertrat als Anwalt die Position des SV Babelsberg 03, Jens Lüscher sagte als ehemaliges Vorstandsmitglied aus, Steve Müller und Uwe Schilde (v.r.n.l.) vom SVB-Vorstand waren Prozessbeobachter.

© I. Höfgen

Sport: Fast ein Auswärtssieg

Im Streit um Provisionszahlungen des Fußball-Regionalligisten an seinen ehemaligen Vermarkter Sportsman Group sagten am Montag ehemalige Vereinsvorstandsmitglieder aus, dass die falschen Leute den Vertrag unterzeichnet haben könnten

Stand:

München - Am 19. Januar 2015 wird Fußball-Viertligist SV Babelsberg 03 erfahren, ob er an seinen im November 2011 geschlossenen weltexklusiven Vermarktungsvertrag mit dem Münchner Vermarkter Sportsman Group gebunden ist. Dann will der 37. Senat des Oberlandesgerichtes München ein Urteil bekannt geben, in dem es um die Wirksamkeit des Kontraktes gehen dürfte. Am gestrigen Montag wurden sechs ehemalige Vorstandsmitglieder als Zeugen darüber gehört, ob der damalige SVB-Geschäftsführer Klaus Brüggemann für den Vertragsschluss mit der Sportsmen Group bevollmächtigt worden war.

Der Vertrag regelt, dass die Sportsman Group zehn Jahre lang Sponsoren für den SVB sucht und dafür bis zu 35 Prozent Provision kassieren darf – auch für Verträge und Sachleistungen, an deren Gewinnung sie keinen Anteil hat. Damals stimmte der SVB-Vorstand geschlossen dafür, den Vertrag abzuschließen und 119 000 Euro „signing fee“ für den klammen Drittligisten zu kassieren. Eine falsche Unterschrift könnte den Verein jetzt von den Pflichten befreien.

Wie kam es zu dem Rechtsstreit?

Die Sportsman Group wollte ihre vertraglich festgesetzte Provision kassieren und verklagte deshalb den SVB auf Auskunft bezüglich der Sponsoreneinnahmen zwischen Juli 2012 und Mitte 2013. In der ersten Instanz vor dem Landgericht München I waren die Sportsmen erfolgreich. Die Berufung brachte dann eine unerwartete Wendung. Der OLG-Senat hielt es nicht für ausreichend, dass der damalige Vorstandsvorsitzenden Thomas Bastian und der damaligen Geschäftsführer Klaus Brüggemann unterschrieben. Ein zweites Vorstandsmitglied – Brüggemann war keines – wäre nötig gewesen. Nun behauptete die Sportsman Group, dass auf einer Vorstandssitzung am 2. November 2011, wo der Vorstand den Vertrag absegnete, Brüggemann bevollmächtigt wurde.

Was sagten die Zeugen?

Sechs ehemalige Vorstandsmitglieder, die an der Sitzung teilgenommen hatten, sagten gestern in München aus. Frank Henry Walter-von Gierke bestätigte, dass am 2. November nicht ausdrücklich beschlossen wurde, dass Brüggemann dies tun darf – es wurde gar nicht darüber geredet. Walter-von Gierke ging davon aus, dass Brüggemann unterschreibt, weil er „immer alle Verträge“ unterschrieben habe, konnte dies aber auf Nachfrage nicht quantifizieren. Außerdem hatte Brüggemann den Vertrag verhandelt und regelmäßig den Vorstand informiert. Jens Lüscher, Hendrik Woithe, Uwe Schilde und Roland Schröder bestätigten ebenfalls, dass über die Vertretungsberechtigung nicht gesprochen wurde – allerdings weil sie davon ausgingen, dass sie satzungsgemäß erfolgen würde, also zwei Vorstandsmitglieder den Vertrag unterzeichnen würden. Dirk Petermann hatte keine größere Erinnerung an die Sitzung.

Wo waren die beiden, die unterschrieben hatten?

Der damalige Vereinsvorsitzende Thomas Bastian war nicht geladen – er war bei der fraglichen Sitzung nicht zugegen. Und Klaus Brüggemann ließ mitteilen, keine Ladung erhalten zu haben und erst am Donnerstag durch Walter-von Gierke davon erfahren zu haben. Er teilte schriftlich einige Daten mit, unter anderem, dass der letzte Vertragstext vom 7. November 2011 stammt.

Warum sahen die ehemaligen

Vorstandsmitglieder schlecht aus?

Weil unklar blieb, wer in dieser Zeit überhaupt Verträge unterschrieb. Jens Lüscher, als Ex-Stellvertreter einer der beiden zeichnungsberechtigten Vorstandsmitglieder neben Bastian, sagte, er habe keine Verträge unterzeichnet, sei aber davon ausgegangen, dass sich der Geschäftsführer um die Unterschriften kümmert. Demnach hätte Ex-Schatzmeister Henrik Woithe Verträge unterzeichnen müssen – der aber ging davon aus, dass Brüggemann einiges unterzeichnen durfte, bei anderen Kontrakten hätten dies Bastian und Lüscher gemeinsam getan. Er habe nur ganz selten unterschrieben, sagte Woithe. Fast schien es, als wurde nie im Vorstand darüber gesprochen. „Keiner weiß, wer irgendwelche Verträge unterschrieben hat, keiner will sie unterschrieben haben“, ätzte der Sportsmen-Anwalt.

Was war noch skurril?

Walter-von Gierke versuchte, die Vertretungsmacht Brüggemanns durch die ersten beiden Seiten von dessen Anstellungsvertrag zu beweisen. Die Seiten drei und vier, wo diese wieder eingeschränkt wurde, musste SVB-Anwalt Jörn Lassan nachreichen. Auf dessen Frage, warum der Jurist Walter-von Gierke nur die ersten beiden Seiten dabei hatte, gab dieser an, er hätte die anderen Seite nicht für relevant gehalten – und außerdem einen altersschwachen Drucker.

Gab es Chancen für einen Vergleich?

SVB-Anwalt Lassan lehnte ab – es spreche vieles dafür, sei aber derzeit kein Thema. Er nannte wirtschaftliche Gründe, eine weitergehende Erläuterung blieb er schuldig. Ist der Vertrag unwirksam, muss der SVB die Aufwendungen der Sportsman Group erstatten, wohl die „signing fee“ plus die Bemühungen für die Sponsorensuche. Über die Höhe wird man sich aus SVB-Sicht lieber vor Gericht streiten. Jede Verzögerung bringt dem immer noch klammen Verein faktisch einen Zahlungsaufschub. Über Vergleichsoptionen habe man sich noch nicht im Vorstand unterhalten, sagte Steve Müller. Er vertrat den aktuellen SVB-Vorstand in München. Es passte zum Thema des Verfahrens – denn über einen Vergleich hätten zwei andere Vorstandsmitglieder gemeinsam entscheiden müssen.

Ingmar Höfgen

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })