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Filmgymnasium in Babelsberg: Faust auf Chinesisch

Der chinesische Botschafter Shi Mingde war zu Besuch am Filmgymnasium.

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Babelsberg - Der rote Teppich war längst ausgerollt und eine chinesische Schülerin begann pünktlich bei Eintritt von Shi Mingde mit ihrem Klavierspiel: Am Freitagmorgen besuchte der chinesische Botschafter das Filmgymnasium in Babelsberg. Eingeladen wurde er von der Bundestagsabgeordneten Andrea Wicklein (SPD), um sich über das Projekt „Mit System zum deutschen Abitur“ zu informieren, das am Filmgymnasium bereits seit zehn Jahren durchgeführt wird. Chinesische Schüler haben hierbei die Chance, das deutsche Abitur zu bekommen.

Bei einem Gespräch mit Schulvertretern und in einem anschließenden von den Schülern realisierten Film informierte sich Mingde ausführlich über das Programm. Er selbst sei 1972 für ein Germanistik-Studium nach Ost-Berlin gekommen und wisse daher, wie gut es sei, Deutsch bereits in jungen Jahren zu erlernen, sagte der Botschafter, der nach seinem Studium zunächst als Dolmetscher arbeitete. Er habe mit großem Interesse beobachtet, dass das Lernen der chinesischen Sprache in Deutschland immer mehr Zuspruch bekomme. Die jungen Leute könnten so zu „Botschaftern der Völkerverständigung“ werden. Derzeit gebe es in China 8200 deutsche Firmen und umgekehrt in Deutschland 2000 chinesische Firmen. Für solche seien die Potsdamer Schüler beispielsweise ideal qualifiziert.

Ihn interessierte auch, wie das Programm finanziert werde. Die Kosten für das Programm tragen die Eltern der Schüler, erklärte Elmar Süß, Vorsitzender der Anerkannten Schulgesellschaft (ASG), freier Träger staatlich genehmigter und anerkannter Ersatzschulen, zu der auch das Filmgymnasium zählt. Je nach Gehalt fallen Schulgebühren von 170 bis 260 Euro pro Monat an, zusätzlich müsse mit rund 600 Euro für Unterkunft und Verpflegung gerechnet werden.

Jedes Jahr kommen bis zu 20 chinesische Schüler ans Filmgymnasium, zurzeit lernen dort 47. Zunächst besuchen die Teilnehmer für ein Jahr  eine Sprachschule im sächsischen Annaberg-Buchholz. Dort lernen die Jugendlichen die deutsche Sprache von Beginn an und erreichen mindestens das Niveau B2, das bereits für ein fortgeschrittenes Sprachniveau steht. „Gut ein Drittel der Schüler schließen die Schule mit C1 ab“, betont Süß. C1 bedeutet, dass man eine Sprache fließend spricht. In der Schule werden sie auch mit wichtigen deutschen Unterrichtsmaterialien vertraut gemacht – lesen etwa Goethes „Faust“ auf Chinesisch. „Und bis zum Abitur können sie ihn dann auch auf Deutsch lesen“, erklärt Süß.

Die Abiturnoten der Teilnehmer seien durchweg beachtlich, sagt er. Der Notendurchschnitt der chinesischen Schüler liegt bei 1,7, es gab auch schon eine 1,2. Schulleiter Michael Rißleben zufolge sind die chinesischen Schüler den Potsdamern in Naturwissenschaften und Mathematik zum Teil „meilenweit“ voraus. Schwer fielen ihnen meist zu Beginn die anderen Unterrichtsmethoden, in denen Schüler zur aktiven Diskussion aufgefordert werden. „Aber auch daran gewöhnen sie sich schnell“, sagt Rißleben.

Chen Jinfan ist einer der Teilnehmer. Der 18 Jahre alte Schüler kam vor vier Jahren ohne Sprachkenntnisse nach Deutschland und erwarb an der Schule in Sachsen das C1-Zertifikat. „Als ich von dem Programm gehört habe, habe ich nicht lange gezögert“, sagt Jinfan, der mit zwei weiteren chinesischen Studenten in einer WG in der Schwarzschildstraße wohnt. „Ich wollte etwas anderes erleben.“ Nach seinem Abitur im kommenden Sommer möchte er ein Mathematik-Studium in München aufnehmen. Einmal im Jahr fährt er in seine Heimat in die chinesische Provinz Chengdu, eine dauerhafte Rückkehr sei aber derzeit kein Thema. „Ich finde das deutsche Schulsystem einfach besser“, sagt Jinfan. „Und auch in China müsste ich zum Studieren in eine andere Provinz ziehen und wäre weit weg.“

Schwierigkeiten hatte die ASG bisher mit der Verlängerung der Visa. Oftmals mussten die Teilnehmer nach der Schule zunächst zurück nach China reisen und sich ein neues Visum ausstellen lassen. Davon hatte auch Wicklein gehört und eine gute Nachricht für die Beteiligten: In Brandenburg soll es nun einen Erlass zur Aufenthaltsgenehmigung für die Schüler geben. „Das ist heute mein Weihnachtsgeschenk“, sagte die Bundestagsabgeordnete. Anne-Kathrin Fischer

Anne-Kathrin Fischer

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