Aus dem GERICHTSSAAL: Faustschlag aus Frust
Bewährung für vielfach vorbestraften Obdachlosen
Stand:
Peter P.* (41) kennt sich mit den Gepflogenheiten bei Gericht aus. Zehn Mal saß der Potsdamer bereits auf der Anklagebank. Zahlreiche Diebstähle, Beleidigungen und Körperverletzungen gehen auf sein Konto. Der Arbeitslose weiß, wie es im Gefängnis zugeht. Dorthin möchte Peter P. auf keinen Fall noch einmal. „Bewährung wäre jut“, gibt er seiner Hoffnung Ausdruck, mit einem blauen Auge davonzukommen. Obwohl die Staatsanwaltschaft das besondere öffentliche Interesse an der Strafverfolgung betonte, fällt das Urteil um einen Faustschlag recht moderat aus: Drei Monate Freiheitsstrafe, ausgesetzt zu zweijähriger Bewährung. Peter P. – inzwischen obdachlos – versichert, er wolle seinen Frust künftig nicht mehr an anderen auslassen.
Am Tattag, dem 11. Mai, habe ihn einfach alles genervt. „Ich saß vor dem Hauptbahnhof und habe ein bisschen was getrunken. Da kam ein Kumpel mit seinem Hund vorbei. Wir haben gequatscht“, lässt der Angeklagte das Geschehen Revue passieren. „Auf einmal flog eine Flasche in unsere Richtung. Sie ging zu Bruch. Da konnte ich nicht anders. Ich bin zu dem Werfer hin und habe zugehauen. Das war wie ein Reflex.“ Im Nachhinein habe er eingesehen, dass das eine blöde Aktion war, räumt Peter P. ein. „In dem Moment dachte ich nur, der Hund könnte sich an den Scherben verletzen. Und Tierarztrechnungen sind ja nicht gerade billig.“
„Ich habe mit einer Bekannten ein paar Flaschen Bier auf dem Bahnhofsvorplatz getrunken. Na ja, vielleicht einige zu viel“, räumt Linus L.* (20) im Zeugenstand ein. „Auf jeden Fall ist mir eine Flasche runtergefallen, als ich sie ausschütteln wollte, um sie in den Rucksack zu stecken.“ Ehe er sich versah, habe er „eine Faust kommen sehen“, erinnert sich der Gartenbau-Lehrling. „Ich habe hinterher Blut gespuckt. Aber die Zähne waren alle noch fest.“
„Ein Faustschlag gegen einen Menschen ist eine Misshandlung, die man niemandem zukommen lässt“, stellt der Staatsanwalt in seinem Plädoyer klar. „Es gibt keinen nachvollziehbaren Grund, wieso der Angeklagte derart ausrastete. Der Zeuge hat die Flasche weder auf ihn noch auf den Hund geschleudert.“ Strafverschärfend müsse wirken, dass Peter P. massiv wegen Gewaltdelikten vorbestraft sei. Zu seinen Gunsten – so der Vertreter der Anklage - sei allerdings zu werten, dass das Opfer keine schwerwiegenden Verletzungen erlitt. Auch Milieu-Taten unter Betrunkenen seien zu ahnden, befand das Gericht. „Der Angeklagte war zwar geständig. Aber er hat in seinem Leben derartig viele Straftaten angesammelt, dass es dringend eines Warnschusses bedarf“, betonte der Vorsitzende. (*Namen geändert.) Hoga
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