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Landeshauptstadt: Fehler mit schrecklichen Folgen

Ein Jahr nach dem Unfalltod einer Radfahrerin ist ein Lkw-Fahrer wegen fahrlässiger Tötung zu einer Bewährungsstrafe verurteilt worden

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Der 15. April 2013 war der erste warme Tag des Jahres. Kathleen B. war gegen 8.50 Uhr mit ihrem Fahrrad stadteinwärts auf der Pappelallee unterwegs. An dieser Stelle gibt es einen Radstreifen auf dem Fußweg, der in beide Richtungen befahrbar ist. Die 23-Jährige wollte zu ihrer Arbeitsstelle im Bürgerservice der Stadtverwaltung. Zur selben Zeit lenkte Kraftfahrer Jörg K. seinen Sattelschlepper mit Auflieger ebenso stadteinwärts. Als der 47-Jährige nach links in die August-Bonnes-Straße einbiegen wollte, passierte das Unglück. Der Mann aus Potsdam-Mittelmark übersah sie. Kathleen B. geriet mit ihrem Rad zwischen Zugmaschine und Anhänger des Lasters, wurde überrollt und verstarb noch an der Unfallstelle.

Am Mittwoch musste sich Jörg K. wegen fahrlässiger Tötung am Amtsgericht vor Richterin Reinhild Ahle verantworten. Der angeklagte Familienvater – er hat zwei Kinder im selben Alter wie die Verunglückte – wurde zu sechs Monaten Haft verurteilt, die Strafe aber zur Bewährung ausgesetzt. Bereits am Unfalltag musste er die Fahrerlaubnis abgeben. Wenig später entließ ihn sein Arbeitgeber.

Wegen des angenehmen Wetters an jenem Montag sei er mit geöffnetem Seitenfenster gefahren, berichtete der Angeklagte. Vor dem Linksabbiegen in die August-Bonnes-Straße habe er zuerst aus dem Fenster geschaut, danach in die Außenspiegel. Kathleen B. auf ihrem Rad habe er nicht wahrgenommen. Erst bei einem erneuten Blick in den Spiegel während des Abbiegens habe er bemerkt, dass die junge Frau unter den Rädern des Anhängers liegt. Jörg K. erlitt einen Schock. Bis heute hat er das Geschehene nicht verarbeitet. Allerdings unterließ er es bislang, den Hinterbliebenen sein Mitgefühl auszudrücken. Das übernahm während der Verhandlung sein Verteidiger.

Für den Unfall gab es Zeugen. Die 46 Jahre alte Kerstin S. sagte, offensichtlich hätten sich beide gegenseitig nicht wahrgenommen. Eine weitere Zeugin sagte: „Aus meiner Sicht war die Radfahrerin sehr schnell. Die Straße ist an dieser Stelle abschüssig, da bekommt man automatisch mehr Tempo.“ Doch selbst wenn Radfahrerin Kathleen B. etwas zügiger als die obligatorischen 18 bis 20 Stundenkilometer unterwegs gewesen wäre, hätte der Angeklagte die Frau im Außenspiegel bemerken müssen, erklärte Dekra-Gutachter Oliver Wagner. „Über die linke Seite ist der Radweg die ganze Zeit einsehbar.“ Der Unfall wäre auf alle Fälle vermeidbar gewesen, hätte Jörg K. vor dem Abbiegen den vorgeschriebenen Schulterblick vorgenommen.

Dazu sagte der Vertreter der Staatsanwaltschaft: „Als Berufskraftfahrer, der zudem mit einer schweren Sattelzugmaschine unterwegs war, unterlag der Angeklagte allerdings einer besonderen Sorgfaltspflicht. Wenn er sagt, er hat die Frau nicht gesehen, dann hat er nicht richtig geguckt.“ Richterin Ahle sprach von einem Augenblicksversagen des nicht vorbestraften Angeklagten. „Er wird ein Leben lang daran zu tragen haben, dass durch seine Schuld ein junger Mensch zu Tode gekommen ist.“

Der Unfall hatte eine Debatte über die Sicherheit von Radfahrern in Potsdam zur Folge – zumal es schon Monate vor dem Unglück eine Warnung gegeben hatte. Die Elternvertretung der neuen Grundschule im Bornstedter Feld hatte die Stadtverwaltung auf Gefahrenstellen in dem Neubaugebiet hingewiesen – etwa auf den massiven Baulastverkehr in der Pappelallee, der Kathleen B. zum Verhängnis wurde. Seither erinnern unter anderem Blumen, Kerzen und ein weißes Holzkreuz an die Frau. G. Hohenstein

G. Hohenstein

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