Landeshauptstadt: „Fehlverhalten der Verwaltung“
Stadt verweigert Ausschuss öffentliche Debatte zu Lennéstraße 44 / Seidel: „Vorwarnsystem hat versagt“
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Brandenburger Vorstadt - Zu einem Machtkampf bisher nicht gekannter Intensität zwischen Bauverwaltung und Stadtverordneten ist es am Dienstagabend im Bauausschuss gekommen. Gegenstand der Debatte waren die in der Brandenburger Vorstadt schwer in der Kritik stehenden Pläne für einen Neubau in der Lennéstraße 44. Die Stadt hatte für den Fünfgeschosser mit 30 Wohnungen am 25. September 2007 die Baugenehmigung nach Paragraf 34 Baugesetzbuch erteilt. Der Vorsitzende des Vereins Brandenburger Vorstadt, Manfred Menning, nannte den Bau im Umfeld des Parkes Sanssouci und somit des Unesco-Welterbes eine „Bausünde“ und einen „Fremdkörper“.
Stadtplanungschef Andreas Goetzmann teilte dem Bauausschuss mit, der Investor – vertreten durch die in der Kurfürstenstraße ansässigen Firma Denkmal & Immobilie GmbH – wünsche keine öffentliche Behandlung des Themas. Daher werde die Stadt den Ausschuss auch nur im nichtöffentlichen Teil Informationen über das Projekt Lennéstraße 44 geben. An nicht-öffentlichen Ausschusssitzungen dürfen Journalisten nicht teilnehmen, eine Berichterstattung ist nicht möglich. Anlass der Ausschussbefassung mit dem Thema ist Antrag der Fraktion Die Linken, wonach die Rücknahme der Baugenehmigung geprüft werden soll.
Der Ausschussvorsitzende Christian Seidel (SPD) bestand zunächst auf eine öffentliche Debatte. Seiner Ansicht nach habe „das Vorwarn-System“ für den Paragrafen 34 „versagt“. Nach Paragraf 34 darf ein Bau genehmigt werden, wenn er sich „in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt“.
Dies ist nach Äußerungen aus mehreren Fraktionen keineswegs der Fall. Seidel zufolge brauche es „eine bessere Regelung in der Zukunft“. Ralf Jäkel (Die Linke) forderte, das Verfahren, das zur Baugenehmigung für die Lennéstraße führte, „durch externe Gutachter klären zu lassen“. Jäkel stellte eine Zuwiderhandlung gegen alle drei Satzungen der Brandenburger Vorstadt fest – Erhaltungs-, Denkmal- und Gestaltungssatzung.
Zur Aufklärung aufgefordert, erklärte Stadtplaner Goetzmann: „Zu bestimmten Dingen werde ich öffentlich nichts sagen.“ Er begründete dies mit möglichen Schadensersatzklagen gegen die Stadt seitens des Investors. Bei dem handelt es sich nach Aussage einer Anwohnerin um die Sparkasse Gießen. Auch die Baubeigeordnete Elke von Kuick-Frenz (SPD) bestand auf Aussage-Verweigerung in der Öffentlichkeit: „Wir werden nicht mehr sagen.“
Sein Unverständnis über den Wunsch nach Nicht-Öffentlichkeit drückte der Stadtverordnete Peter Schüler (Bündnis90/Die Grünen) aus: Lediglich personenbezogene Daten des Bauantragsstellers seien zu schützen, alles andere müsse Goetzmann offenbaren. In der Sache erklärte Schüler, die Verwaltung habe vor der Baugenehmigung „entgegenstehende öffentliche Normen zu prüfen“. So seien in der Brandenburger Vorstadt „ausschließlich Gebäude mit Schrägdächern vorgeschrieben“.
Einen Höhepunkt erreichte die Debatte, als Seidel erklärte, er könne der Baubeigeordneten und Goetzmann „keine Beugehaft androhen“, um sie zur Aussage zu zwingen. Brigitte Oldenburg (Die Linke) beharrte dennoch, sie wolle wissen, warum die Verwaltung sich nicht an die Satzung gebunden fühlte und warum ein Veto der Schlösserstiftung gegen den Bau nicht berücksichtigt wurde. Die Stiftung habe auf ihre ablehnende Stellungnahme nie eine Antwort erhalten. Dazu Goetzmann: Es gebe generell keine Rückmeldungen „bei einfachen Zuarbeiten“. Zudem sei fraglich, ob das Votum der Stiftung, die eine Etage weniger und ein geneigtes Dach fordert, „eine rechtlich bindende Stellungnahme ist“. Unmut löste Goetzmann mit der Mitteilung aus: „Bei Paragraf 34 spielen Satzungen keine Rolle“. Ralf Jäkel: „Ich sehe die Verwaltung in der Pflicht, die Beschlüsse der Stadtverordneten zu achten.“ Die Gestaltungssatzung sehe Zwei- bis Dreigeschosser und ortstypische Dachformen vor. Es sei „zu Fehlverhalten der Verwaltung“ gekommen – „und das schon zum dritten Mal“. Bereits in der Ossietzky-Straße sei es zu ähnlichen Fällen gekommen. Wolfgang Cornelius (CDU) kritisierte ebenfalls, dass sich der Bau in „Gestalt und Typik“ der Umgebung nicht anpasse.
In einer anschließenden nichtöffentlichen Sitzung kam es dem Vernehmen nach nicht zu Beschlüssen. Der Ausschuss betrachte die geführte Debatte als „erste Lesung“ zur Lennéstraße 44.
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