Landeshauptstadt: Festhalten an der Inklusion
Potsdamer diskutierten über neues Schulmodell
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Das Mikrofon in der Hand hätte sich die Referentin sparen können, mehr als einen optischen Zweck erfüllte es nicht. Aber für eine Gebärdendolmetscherin war gesorgt. Dass deren Arbeit allerdings wie eine außergewöhnliche Zugabe in der Pause beklatscht wurde, machte das Bemühen der Veranstalter, Inklusion im Alltag zu leben, leider wieder zunichte.
Beide Momente am Rande der Podiumsdiskussion „Inklusive Bildung“, zu der am Donnerstagabend die Bildungsexpertin der Grünen im Landtag, Marie Luise von Halem, eingeladen hatte, machten deutlich, dass sich die Debatte nicht auf den Bildungsbereich beschränken lässt. Doch dort wird sie in Potsdam derzeit vehement geführt: Mit Schulstart hat für neun Potsdamer Grundschulen das Pilotprojekt „Inklusive Bildung“ begonnen. Ab sofort lernen so Kinder mit unterschiedlichsten Voraussetzungen gemeinsam, darunter manche, die bisher aufgrund von Behinderungen oder Einschränkungen in Förderschulen aussortiert wurden.
Dass Kinder jetzt zu „Versuchskaninchen“ werden könnten, befürchtete Daniela Trapkowski, Vorsitzende des Kreiselternrats. „Ich glaube nicht, dass jedes Kind integriert werden kann.“ Die Podiumsgäste im Haus der Generationen und Kulturen am Schlaatz waren optimistischer: Mit den richtigen Voraussetzungen stehe der Umsetzung des Inklusionsgedankens nichts im Wege. Hans-Jörg Behrendt, ehemaliger Leiter der Regine-Hildebrandt-Schule in Birkenwerder, hatte mit einem Filmbeitrag seine Schule vorgestellt. 1999 war die Förderschule in einem Versuch mit einer Gesamtschule fusioniert. Heute ist die Gesamtschule mit gymnasialer Oberstufe und ausschließlich Integrationsklassen übernachgefragt, oft unterrichten zwei Lehrer gleichzeitig,13 von 68 Lehrern sind Sonderpädagogen. Man sei damals sehr gut vorbereitet worden, so Behrendt. „Im Vergleich zur heutigen Pilotphase bekamen wir mehr Unterstützung“, so der ehemalige Schulleiter.
Seine positiven Erfahrungen decken sich mit den Ergebnissen einer Studie, die von Halem in Auftrag gegeben hatte. Darin sagt Erziehungswissenschaftler Ulf Preuss-Lausitz, dass Kinder in heterogenen Klassen besser lernen. Laut seiner Studie könne komplett auf die Feststellungsdiagnostik verzichtet werden. Dadurch würden neue Mittel für die Schulen frei.
Schon jetzt werden den staatlichen Pilotschulen zusätzliche Sonderpädagogikstunden pauschal zugewiesen, in der Regel etwa eine halbe Stelle pro Grundschule. Weil es aber derzeit nicht genug Sonderpädagogen gibt, kann dieser Bedarf nicht komplett gedeckt werden, obwohl Bildungsministerin Martina Münch „100 neue Lehrer für Brandenburg“ versprochen hatte. Daher müsse teilweise auf „Lehrer mit entsprechenden Erfahrungen“ zurückgegriffen werden, sagte Heike Noll vom Schulamt Brandenburg. Und: „Wir haben ein gutes Gewissen dabei.“
Jan-Peter Schmarje, Vorsitzender der Potsdamer Behindertenbeirats, mahnte, dass es nicht ohne die Eltern geht. „Wenn diese dann eine persönliche Assistenz für ihr behindertes Kind, das auf eine Regelschule geht, beantragen, und die Stadt genehmigt nur eine ,Assistenz allgemeiner Art’, die ungenügend qualifiziert ist, wie soll das dann funktionieren?“ S. Pyanoe
S. Pyanoe
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