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Aus dem GERICHTSSAAL: Feuer in einer Baracke im Lerchensteig Brandstiftung nicht zu beweisen / Freispruch

„Der Zeuge ist das schlechteste aller Beweismittel. Dieser Lehrsatz hat sich heute wieder einmal bestätigt“, befand der Verteidiger und plädierte auf Freispruch für seinen Mandanten.

Stand:

„Der Zeuge ist das schlechteste aller Beweismittel. Dieser Lehrsatz hat sich heute wieder einmal bestätigt“, befand der Verteidiger und plädierte auf Freispruch für seinen Mandanten. Sogar der Staatsanwalt war nach Abschluss der Beweisaufnahme nicht mehr sicher, ob der Richtige auf der Anklagebank saß. Nach mehrstündiger Verhandlung wurde Leon L.* (22) gestern vom Vorwurf der Brandstiftung im Obdachlosenheim am Lerchensteig freigesprochen. „Die Schuhabdrücke der Größe 42 auf dem Fensterbrett können vom Angeklagten stammen. Sie müssen es aber nicht. Die Spurensicherung konnte sie ihm nicht zweifelsfrei zuordnen“, führte die Schöffengerichtsvorsitzende aus.

Drei Bewohner des Lerchensteigs hatten Leon L. bei der Polizei bezichtigt, in der Nacht des 24. August 2009 in einer leerstehenden Baracke des ehemaligen Asylbewerberheims Feuer gelegt zu haben. „Wir haben gemeinsam Playstation gespielt, gequatscht und getrunken“, berichtete Jessica J.* (23) während ihrer Zeugenvernehmung. In welchem Zimmer das fröhliche Beisammensein stattfand, vermochte sie nicht mehr zu sagen. Auch bei den anderen Zeugen versagte die Erinnerung. In einem Punkt war sich das Trio allerdings einig: Irgendwann habe Leon L. angekündigt, dass es in der Nacht noch brennen werde. „Er ging dann weg. Eine Stunde später hat es tatsächlich gebrannt“, erzählte die Obdachlose. „Als er wiederkam, hat er mir gedroht, mich umzubringen, falls ich ihn beschuldigen würde. Ich habe das aber nicht so ernst genommen. Schließlich waren wir alle ganz schön angegangen“, so Jessica J.

Der Angeklagte – er wohnte damals ebenfalls im Lerchensteig – machte während des Prozesses von seinem Schweigerecht Gebrauch. Ein Wachschutzmitarbeiter berichtete im Zeugenstand, er habe bei seinem Rundgang eine kaputte Fensterscheibe der leerstehenden Baracke bemerkt, danach einen hellen Schein im Inneren gesehen. Indessen war sein Kollege schon von einem Bewohner informiert worden. Der alarmierte die Feuerwehr. Als die Flammen erstickt waren, habe der Wachmann von einem Wohnsitzlosen erfahren, Leon L. habe zuvor sinngemäß angekündigt: Heute Abend wird noch ordentlich was passieren.

Die Kriminaltechniker entdeckten ein acht Millimeter großes Brandloch im Hosenbund des vermeintlichen Brandstifters. Wann es entstand, ob es eventuell durch die abgefallene Glut einer Zigarette verursacht wurde, ließ sich nicht feststellen. Ruß fand sich auf der Kleidung, die Leon L. in der Brandnacht trug, jedenfalls nicht. Falls der schmächtige Mann der Täter war, hätte das eigentlich der Fall sein müssen. Der Sachverständige betonte, das in der Küche der Baracke gelegte Feuer habe keine extrem hohe Temperatur aufgewiesen. Da kein Brandbeschleuniger verwendet wurde, müsse es jedoch mächtig gequalmt haben. „Objektive Beweismittel liegen nicht vor. Unmittelbare Tatzeugen gibt es nicht“, konstatierte der Vertreter der Anklage. Dass Leon L. von seinen ehemaligen Mitbewohnern der Brandlegung beschuldigt werde, reiche für eine Verurteilung nicht aus. (*Namen geändert.) Hoga

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