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Sport: Finale zu viert

Seit Jahren war die Handball-Bundesliga nicht so spannend wie vor dem Spitzenspiel am Mittwochabend

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Hamburg/Berlin - Große Trainer sollten in der Lage sein, selbst noch so bescheidenen Situationen positive Aspekte abgewinnen zu können. Nach der Niederlage gegen Flensburg im Halbfinale des nationalen Pokalwettbewerbs sprach am Samstagabend also Gudmundur Gudmundsson, der Trainer der Rhein-Neckar Löwen. „Auch wenn es mir im Moment schwer fällt, das so zu sehen – vielleicht hilft es uns ja wirklich, dass wir am Sonntag kein Finale spielen müssen“, sagte der Isländer, „da haben wir am Mittwoch womöglich ein bisschen mehr Power.“

Da trifft Gudmundssons Mannschaft im Spitzenspiel der Handball-Bundesliga auf den THW Kiel (20.15 Uhr, live bei Sport1), und bei einem Sieg der Mannheimer gegen den Serienmeister käme es zu einer in den letzten Jahren nie da gewesenen Gemengelage in der stärksten Handball-Liga: die Löwen wären zum einen Tabellenführer, zum anderen dürften sich wenige Spieltage vor dem Saisonende weitere Teams berechtigte Hoffnungen auf den Meistertitel machen: neben Kiel und Mannheim nämlich noch die Verfolger HSV Handball und SG Flensburg-Handewitt. Allerdings hat der Umkehrschluss ebenso Gültigkeit. „Gewinnt der THW, ist die Meisterschaft entschieden“, sagte der ehemalige Nationalspieler und Welthandballer Daniel Stephan den „Kieler Nachrichten“.

Eine Halbserie lang widerlegte das Team von Erfolgstrainer Alfred Gislason mit überraschender Gelassenheit alle vermeintlichen Experten, die vor der Saison ein Übergangsjahr und daraus resultierend einen ausgeglichen Meisterschaftskampf prognostiziert hatten, nach der Hinrunde schien die Meisterschaft so gut wie entschieden. In den vergangenen Wochen haben die nach den Abgängen von Daniel Narcisse, Thierry Omeyer, Momir Ilic und Kapitän Marcus Ahlm personell und qualitativ doch arg zusammengeschrumpften Kieler allerdings geschwächelt. Während die Rhein-Neckar Löwen ihre letzten elf Bundesliga-Spiele für sich entschieden, haben die Kieler in den letzten fünf Partien Punkte abgegeben, selbst gegen gehobene Durchschnittsteams wie den SC Magdeburg. Im Achtelfinale des DHB-Pokals kassierte der THW überdies die erste Heimniederlage in diesem Wettbewerb seit mehr als 20 Jahren – gegen die Rhein-Neckar Löwen.

„Die Bundesliga war lange nicht so spannend wie in diesem Jahr“, sagt Ljubomir Vranjes, und er muss es wissen: neun Jahre lang war der schwedische Spielmacher selbst in Deutschland aktiv, seit 2010 verantwortet er als Trainer die SG Flensburg-Handewitt. „Man muss aber auch ehrlich zugeben, dass die anderen die kleine Schwächephase der Kieler bislang nicht genutzt haben“, sagt Vranjes, und das ist durchaus als Selbstkritik zu verstehen. Vor der Saison galten seine Flensburger als ärgster Widersacher des ungeliebten Dauerkonkurrenten, großes Verletzungspech und ein ziemlich missratener Saisonstart ließen die Hoffnungen aber frühzeitig schwinden. „Trotzdem ist noch immer keine Entscheidung gefallen“, sagt Vranjes, und dass dieser Umstand für die neue Ausgeglichenheit in der Liga spricht. „Jeder kann an einem guten Tag jeden schlagen, das war über lange Zeit keine Selbstverständlichkeit.“

Und ist mittlerweile auch in Kiel angekommen, wenngleich die Erhabenheit geblieben ist beim Rekordmeister. „Wir haben in jeder Situation des Spiels einen Plan“, sagte THW-Kapitän Filip Jicha kürzlich der „Handballwoche“. Und was tippt Vranjes für das Spitzenspiel? Flensburgs Trainer antwortet indirekt auf diese Frage, er sagt: „Kiel ist immer noch Kiel.“ Am Mittwoch steht die Stichhaltigkeit dieser These auf dem Prüfstand. Christoph Dach

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